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Kultur: Köstliche Frucht

Welche Rolle der Philharmonische Chor Berlin neben der Singakademie im romantischen Kulturtreiben der Stadt gespielt hat, dokumentiert Albert Schweitzers Bach-Biografie (deutsch: 1908). Darin wird die Chorgemeinschaft unter ihrem ersten Leiter Siegfried Ochs dreimal differenziert gelobt.

Welche Rolle der Philharmonische Chor Berlin neben der Singakademie im romantischen Kulturtreiben der Stadt gespielt hat, dokumentiert Albert Schweitzers Bach-Biografie (deutsch: 1908). Darin wird die Chorgemeinschaft unter ihrem ersten Leiter Siegfried Ochs dreimal differenziert gelobt. 1882 gegründet, steckte der Chor schon voll hundertjähriger Musikgeschichte, als Uwe Gronostay ihn von Hans Chemin-Petit übernahm. Fast 40 Jahre Chemin-Petit, an dessen scharfgeschnittene Dirigiergesten sich sein Publikum noch erinnert, danach zwei Dezennien Gronostay, der nun 2002 Abschied nimmt. Er hinterlässt ein musikalisch intaktes Erbe. Die Wahl seines Nachfolgers steht noch aus. Im Sinn der historischen Kontinuität des Chores und dem komponierenden Vorgänger zu Ehren dirigiert Gronostay als Auftakt Chemin-Petits polyphone "Elegie". Dann erfüllt er sich im vorletzten Konzert der Saison einen persönlichen Programmwunsch mit dem Deutschen Requiem von Johannes Brahms.

Wer die mitgliederstarke Singgemeinschaft in der Philharmonie vor sich sieht, begreift schnell, warum Gronostay Brahms wählt. Das Werk enthebt ihn aufführungspraktischer Schwierigkeiten (die schon Schweitzer gesehen hat) mit dem großen Chor. Es gibt ihm als Musiker die Möglichkeit, aus Worten der Heiligen Schrift einen Kosmos darzustellen: von der lieblichen Stelle um den Ackermann, der auf die köstliche Frucht der Erde wartet, über das aschfahl stockende "Nichts" vergänglichen Lebens bis zum gewaltigen C-Dur des Sieges über die Hölle. Der homogene Mischklang gestattet eine Klarheit, die sich dem Chorerzieher und seiner Erfahrung mit Berufschören verdankt. Tempi und Dynamik sind Zeichen von Ausdruck. Dass die Bläser der Berliner Symphoniker ihm darin etwas schwerfälliger folgen, hat mit deren strapaziösem Dienstplan zu tun. Berthold Possemeyer singt das "Geheimnis" des Bibeltextes mit solidem Bariton, während die junge Annette Dasch eine Entdeckung ist: helles expressives Timbre, dazu die Aura für den"Trost" des Sopransolos.

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