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Kämpfen bis zum Untergang. Florian Schmidtke als SS-Mann Dörfler und Alexander Scheer als Obersturmbannführrer von Starnfeld.

© NETFLIX/R. Bajo

Kriegsfilm „Blood & Gold“ bei Netflix: Nazis jagen mit der Mistharke

Regisseur Peter Thorwarth huldigt mit seiner tiefschwarzen Kriegskomödie „Blood & Gold“ Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“. Mehr als ein Abklatsch?

Jagdszenen aus Mitteldeutschland, Frühjahr 1945. Ein Deserteur im Wehrmachtsmantel wird von marodierenden SS-Männern gehetzt. Er sprintet über einen Feldweg, sie verfolgen ihn mit einem Motorradgespann und einem Militärtransporter, beschießen ihn mit Maschinengewehren und jubeln „Juhu!“. Er kann in einen Wald entkommen, ist aber bald umstellt. „Arisches Blut in den Adern, aber im Herzen ein Feigling“, verhöhnt ihn der Obersturmbannführer. Trotzig entgegnet der Deserteur: „Wir sind ein Volk von Mördern“.

Der SS-Offizier lässt ihn an einen Baum aufknüpfen, aber er soll möglichst lange zappeln, bis er stirbt. „Und jetzt holen wir uns das Gold!“, ruft der Anführer, und der Trupp braust davon. Eine junge Bäuerin holt den Todgeweihten im letzten Moment vom Strick. Unterlegt ist die Szene mit einem Schlager aus dem tragbaren Grammophon: „Auf Wiedersehn, bleib nicht so lange fort.“

Schon die Anfangssequenz von Peter Thorwarths Naziploitation-Film „Blood & Gold“ macht klar, worum es hier hundert Minuten lang geht: um möglichst rasante Action und Gags, die – wie beim „Auf Wiedersehn“ als Abschiedsgruß an einen Hinzurichtenden - gerne auch mal zynisch sein dürfen. Nachdem ihm mit dem Horrorfilm „Blood Red Sky“, in dem Vampire einen Nachtflug kapern, ein Netflix-Hit gelungen war, bekam der aus dem Ruhrpott stammende Regisseur offenbar freie Hand für sein nächstes Projekt bei dem Streamingdienst. Thorwarth hat die Chance genutzt und ein straight inszeniertes Genrestück geschaffen, das mit schwarzem Humor von den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs erzählt, aber niemals zur Klamotte wird.

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Elsa (Marie Hacke), seine Retterin, versteckt den Deserteur Heinrich (Robert Maaser, Ex-Weltmeister im Rhönradturnen), in ihrem Bauernhof, der abgelegen im Niemandsland liegt. Fast ein Idyll, das allerdings von einer Hand voll SS-Schergen gestört wird, die zum Plündern im Opel Blitz vorfahren. Heinrich beobachtet durch die Holzritzen im Dachboden, wie die Totenkopf-Männer Elsa im Haus zu vergewaltigen versuchen. Das Setting erinnert stark an Quentin Tarantinos kontrafaktischen Kriegsfilm „Inglourious Basterds“, wo der SS-Standartenführer Landa einen Bauernhof besucht, während versteckte Juden unter den Fußbodendielen kauern.

Wie bei Tarantino entlädt sich die Anspannung in einem Gewaltexzess. Heinrich und Elsa bekämpfen die Eindringlinge mit Schusswaffen, Glasscherben und kochendem Kaffee. Ein SS-Mann wird mit einer Mistharke aufgespießt. Und Marlene Dietrich singt dazu: „Wer wird denn weinen, wenn man auseinandergeht“.

Das Dorf, in dem „Blood & Gold“ spielt, heißt optimistisch Sonnenberg. Johannes Löwenstein, ein jüdischer Einwohner, soll einen Schatz von 31 Goldbarren hinterlassen haben. In der Pogromnacht 1938 ist er in ein KZ verschleppt worden. „War ein schönes Haus, war ein schönes Feuer“, sagen die ehemaligen Nachbarn.

Bevor Obersturmbannführer von Starnfeld mit seinen Männern das Hauptquartier im Gasthof „Kronprinz Rudolf“ einrichtet, lässt der Bürgermeister (Stephan Grossmann) das Hitler-Porträt wieder an die Wand hängen. Der Gesinnungsakrobat hatte schon die Alliierten erwartet, nun zeigt er sich wieder in seinen fasanenhaften Uniform. Auf das Gold ist er genauso scharf wie seine Geliebte, die Dorf-Megäre Sonja (Jördis Triebel), und die SS-Meute.

Alexander Scheer, der schon in „Blood Red Sky“ dabei war, spielt den Obersturmbannführer von Starnfeld mit der Eiseskälte eines Untoten. Sein halbes Gesicht, durch eine Kriegsverletzung zertrümmert, ist von einer Ledermaske bedeckt. Um sich wachzuhalten, schluckt er Pervitin-Tabletten, ein Amphetamin, das euphorisiert. Scheer ist ein Untertreibungskünstler, das Diabolische macht er kenntlich, indem er Gestik und Mimik seiner Figur reptilienartig verlangsamt.

Im zerdehnten Goebbels-Duktus hält er Durchhaltereden: „Wir sind am Boden, aber wir werden wieder aufstehen und zurückschlagen!“ Wenn er mit seinen Zigaretten auf das silberne Zigarettenetui klopft, bevor er sie in den Mund steckt, klingt das, als ob der Tod persönlich gegen die Tür pochen. Er lässt Elsa verhaften und verliebt sich in sie, inszeniert eine Verlobungsfeier und erzählt von seiner ehemaligen Geliebten, einer Jüdin: „Ich konnte nicht mit ihr zusammen sein, da habe ich sie erschossen.“ Elsa gibt ihm buchstäblich den Todeskuss.

Wie sich in der Anarchie des Kriegsendes ein Hochstapler zum Anführer eines Schreckensregimes im Emsland aufschwingen konnte, das hat Robert Schwentke in seiner Kriegs-Köpenickiade „Der Hauptmann“ gezeigt. Die Verrohung der Menschen durch ihre Gewöhnung an die Gewalt ist in „Blood & Gold“ die gleiche. Immerhin stellen sich ein paar Aufrechte um den Dorfpfarrer (Jochen Nickel) der SS entgegen, als ein Behinderter mit dem Schild „Ich bin unwertes Leben“ aufgehängt werden soll. Der Showdown in diesem Spaghetti-Western, der in der sächsischen Provinz spielt, findet in der Kirche statt.

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