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Kultur: Krise! Welche Krise?

Dana Horáková, Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust und die Zukunft der hanseatischen Kulturpolitik

Es gab Steinbeißer mit Spinat und Obstsalat zum Dessert, und vermutlich auch ein paar ernste Worte. Für die Öffentlichkeit jedoch wurde nach 75 Minuten das Senats-Standard-Menü „Friede, Freude, Eierkuchen“ aufgetischt. Nachdem Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust, frisch aus dem Urlaub zurückgekehrt, am Mittwoch seine Kultursenatorin Dana Horáková zum Vier-Augen-Gespräch ins Rathaus einbestellt hatte, jubelte er den Journalisten Solidaritätsbekundungen für die dauergeprügelte Politik-Debütantin entgegen. Wer anderes erwartet hatte, verkennt die Spielregeln der Politik. Ein Hamburger Bürgermeister reagiert erst dann auf Personalprobleme, wenn er will, und bestimmt nicht, wenn er soll.

Aus dem hanseatischen Boulevard-Theater um eine Senatorin, die sonderbare Statements über Subventions-Schmusegießkannen von sich gab oder Kulturdarwinismus nach der Devise „Altes muss sterben, damit Neues entsteht“ predigte, ist längst eine absurde Posse geworden. Seit Wochen fordert die Opposition, parlamentarisch wie außerparlamentarisch, den Bürgermeister auf, das örtliche Trauerspiel zu beenden: Schließlich üben auch die überregionalen Medien inzwischen harsche Kritik. Nun droht der Krach um Horáková auch noch die Senatsarithmetik ins Wackeln zu bringen. Innensenator Schill sitzt nach wie vor fest im Law-and-Order-Sattel, bei der Kultursenatorin rechnen manche sich jetzt bessere Chancen aus, um eine Lücke in den Senat zu reißen. Ein offener Brief von prominenten Theaterchefs und Künstlern wurde als plumpe SPD-Kampagne abgebürstet. Kurz zuvor war es der parteilosen Senatorin und Ex-„Bild“-Redakteurin nicht gelungen, ihren ungeliebten SPD-Staatsrat Gert Hinnerk Behlmer seines Postens zu entheben. Der nämlich war mit dem Berliner PDS-Kultursenator Flierl in eine Thalia-Theatervorstellung gegangen, angeblich, ohne das seiner Chefin rechtzeitig mitzuteilen, die immer und überall Sabotage und rote Socken wittert. Deswegen habe sie auch die „Bild-Zeitung“ auf einen möglichen Skandalfoto-Termin bei Schnitzlers „Liebelei“ hingewiesen, berichteten andere Zeitungen wenig später schadenfroh und fassungslos. Und pünktlich zum Vier-Augen-Dinner von Ole von Beust und Horáková erschien ein Interview im Boulevard-Blatt, in dem von Beust recht blauäugig zu Protokoll gab: „Die Kritik an ihr ist nicht fair. Ich kenne Frau Horáková als ausgesprochen dialogfähigen Menschen... Uns wird keine schlechte Kulturpolitik vorgeworfen. Das wäre ja auch ungerecht."

Pfeifen im Walde. Hinter den Senatskulissen gilt Horáková mittlerweile als angezählt, Kritik an ihr wird jetzt auch in den eigenen Reihen laut. Die Rückendeckung durch den Chef war ein großer Vertrauensvorschuss, heißt es, von nun an sei die Senatorin zur Bewährung vorverurteilt. Der nächste große Versprecher, der nächste Fauxpas, und sie steht wohl allein im Regen. Einerseits. Andererseits: Von Beust hat derzeit keine Alternativen parat. Den SPD-Staatsrat kann der CDU-Politiker trotz bester Reputation nicht auf seine Regierungsbank befördern, und bei der akuten Höhe des Scherbenhaufens wird sich so schnell niemand Brauchbares finden, der Horákovás Amt und damit auch die Verantwortung für die atmosphärischen Schäden in der frustrierten, schockierten Kulturszene übernehmen möchte.

Des Bürgermeisters Lösungsvorschlag: Die Senatorin solle demnächst mehr bei Premieren repräsentieren, Behlmer möge sich ums Geschäftliche kümmern. Eine glänzende Idee, sollte sich dieses Gerücht bewahrheiten, hatte Horáková doch erst kürzlich die – rhetorische – Frage gestellt: „Soll ich denn in jede Theaterpremiere gehen?“ Die kesse Antwort: „Das werde ich nicht tun.“ Mit Betroffenen will der Bürgermeister jedenfalls nicht reden, die sollen sich lieber über eine Horáková-Bilanz freuen, „die sich sehen lassen kann“. Im Übrigen empfiehlt von Beust „mehr Gelassenheit“.

Horáková ist noch konsequenter. In der „Bild-Zeitung“ beurteilte sie den Mittagsplausch als „sehr gutes und konstruktives Gespräch in herzlicher Atmosphäre“ und verabschiedete sich noch am Nachmittag in einen zweiwöchigen Urlaub. Letzte Meldung: Die Hamburger Kulturbehörde verhandelt mit der australischen Dirigentin Simone Young um die Nachfolge von Generalmusikdirektor Ingo Metzmacher. Die 41-Jährige könnte Mitte 2005 künstlerische Leiterin der Staatsoper und Chefdirigentin der Hamburger Philharmoniker werden. Krise? Welche Krise?

Beate Berger

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