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Kultur: Let’s Roll

Peter Laudenbach sucht die passende DemoMusik Vor zwanzig Jahren stöhnte der Dichter Heiner Müller angesichts der kulturellen Darbietungen der Friedensbewegung, es gebe Friedenslieder, die schlimmer seien als Pershing 2- und SS 20-Raketen zusammen. Der apokalyptische Theater-Dandy hatte nichts übrig für schunkelnde Friedensketten, Demo-Schnulzen der Bots und „We shall overcome" singende Hausfrauen.

Peter Laudenbach

sucht die passende DemoMusik

Vor zwanzig Jahren stöhnte der Dichter Heiner Müller angesichts der kulturellen Darbietungen der Friedensbewegung, es gebe Friedenslieder, die schlimmer seien als Pershing 2- und SS 20-Raketen zusammen. Der apokalyptische Theater-Dandy hatte nichts übrig für schunkelnde Friedensketten, Demo-Schnulzen der Bots und „We shall overcome" singende Hausfrauen. Es kann kein Zufall sein, dass damals ein deutsches Lied mit dem Titel „Ein bisschen Frieden" beim Grand Prix Triumphe feierte.

Jetzt ist es wieder soweit: Wer gestern aus guten Gründen auf die Demonstration gegen die Kriegspolitik der US-Regierung ging, kam an einem Kulturprogramm der besonderen Sorte nicht vorbei. Neben den üblichen Verdächtigen (Hannes Wader, Konstantin Wecker) waren so profilierte Polit-Aktivisten wie die Puhdys und Paddy Kelly (ja, der von der Kelly Family) angekündigt. Bereits im Vorfeld der Friedensdemo trugen Helden der Unterhaltungsindustrie das Ihre zur guten Sache bei. Der Schauspieler Peter Lohmeyer nahm eine Single gegen den Krieg auf („Bagdad-Blues"), Elton John hängte sich bei der „Goldenen Kamera" ein Peace-Zeichen um. Kitsch, Selbstdarstellung, politischer Protest – das liegt im Fernsehen und bei Massenveranstaltungen dicht beieinander. Eigentlich erstaunlich, dass in der vorletzten Runde von „Deutschland sucht den Superstar" nicht das Genre „Protestlied“ geprobt wird.

Die echte Entdeckung des Wochenendes bot ein „Rockpoet“ (Selbsteinschätzung) namens Tino Eisbrenner. Seine Lieder haben Refrains wie „Erst tief in mir drin / siehst du, was ich wirklich bin.“ Das spätestens war der Augenblick, in den man ahnte, was dieses Land dem zivilisierenden Einfluss der USA verdankt. Ohne das segensreiche Wirken des amerikanischen Kulturimperialismus müsste man deutsches Liedgut von Tino Eisbrenner oder den Puhdys auch außerhalb von Friedensdemonstrationen ertragen. Gegen diese Vorstellung hilft nur eins: amerikanische Rock- und Countrymusik. Es müssen ja nicht gleich schlimme Finger wie die Ramones („Rocket to Russia“), die Dead Kennedys („Kill the poor“) oder John Cale („Are you ready for war") sein.

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