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Kultur: Liebesflüstern unter Verlierern „Eine Sommernacht“ in der Komödie am Ku’damm

Verkorkster kann eine Liebesgeschichte kaum beginnen. Die Scheidungsanwältin Helen ist von ihrem verheirateten Lover per SMS versetzt worden und spült ihren Frust jetzt in einer Weinbar in Edinburgh mit 40 Pfund teurem Cabernet Sauvignon herunter.

Verkorkster kann eine Liebesgeschichte kaum beginnen. Die Scheidungsanwältin Helen ist von ihrem verheirateten Lover per SMS versetzt worden und spült ihren Frust jetzt in einer Weinbar in Edinburgh mit 40 Pfund teurem Cabernet Sauvignon herunter. Bob, ein Kleinkrimineller, wartet dort auf seinen nächsten Autoschieber-Job und vertreibt sich die Zeit mit der Lektüre von Dostojewskis „Aufzeichnungen aus einem Kellerloch“. Abgesehen davon, dass beide 35 sind, verbindet Helen und Bob gar nichts. Aber die Kombination aus herandämmernder Midlife-Crisis und maßlosem Alkoholkonsum führt zu einem One-Night-Stand der verzweifelten Sorte. Wilder Sex? Wohl eher verkrampftes Gefummel, bei dem die im Bett vergessene Puppe von Helens kleinem Neffen „Elmo will kuscheln!“ dazwischenplärrt. Das schreit nicht nach einem Wiedersehen.

Die Ausgangslage des Stadtneurotiker-Stücks „Eine Sommernacht“ des schottischen Autors David Greig ist also durchaus klassisch: Ein denkbar ungleiches Paar, dessen sofortigem Glück nur die Wirkgesetze der romantischen Komödie im Wege stehen. Wobei Greig die Genremuster insofern variiert, als er das Geschehen nicht linear abspult. Helen und Bob treten als Erzähler ihrer eigenen Geschichte auf, springen zwischen den Zeitebenen, überführen den jeweils anderen der dichterischen Freiheit oder bespötteln die Selbstbilder: „1987 war Bobs Jahr!“, schwärmt der Loser über die eigene wilde Jugend. „Seitdem geht es kontinuierlich bergab“, setzt die Anwältin nüchtern hinzu.

Regisseur Folke Braband, der diese suffbefeuerte Ballade am Ku’damm inszeniert hat, lässt den Schauspielern Tanja Wedhorn und Oliver Mommsen dabei viel Raum. Eine Videowand illustriert oder ironisiert die wechselnden Locations, ansonsten gehört die karge Bühne von Tom Presting ganz den beiden gerupften Lovebirds, die begleitet vom Musiker Felix Huber in ein Wochenende trudeln, das mit schwarzhumoriger Lust ausgemalt wird.

Schon kurz nach dem verpatzten Tête-à-tête begegnen Helen und Bob sich wieder. Sie hat gerade eine grauenhafte Hochzeit hinter sich, er ist mit einer Plastiktüte voller Geld unterwegs, das er eigentlich bei seinem Gangsterboss abliefern müsste. Kurzerhand beschließen sie, die 15 000 Pfund auf den Kopf zu hauen. Irgendwo zwischen Trinkgelagen und japanischem Bondage im Fetisch-Klub kommen die beiden sich wahrhaftig näher.

Diese Mittsommernachts-Sexkomödie birgt zwar keine philosophische Tiefe, besitzt aber hohen Unterhaltungswert. Vor allem sind Tanja Wedhorn und Oliver Mommsen – die in „Gut gegen Nordwind“ schon die Internet-Liebenden gegeben haben – ein tolles Paar, pointen- und temposicher. In stürmischen wie in peinlichen Zeiten.Patrick Wildermann

Weitere Vorstellungen am 9. – 13. und 16. – 20. Januar

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