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Kultur: Linker Haken

Ohne Klitschko, aber mit Wucht: das Studentenorchester aus Kiew

Eigentlich hätte Vitali Klitschko als Pate des Sinfonieorchesters der Tschaikowsky Musikakademie Kiew auftreten sollen. Doch er war verhindert - was vom Publikum mit enttäuschtem Raunen kommentiert wurde. In der Tat: Besser als die zierliche Botschaftsassistentin, die nun sein Grußwort verlas, hätte Dr. Klitschko zum schwergewichtigen Programm seiner Landsleute gepasst.

Die erste Runde bestritt die Uraufführung der 6. Symphonie des aus Kiew stammenden Valentin Silvestrov. Grundidee ist eine das ganze Werk durchziehende Atembewegung, ein Pendeln in langsamem Tempo, das vom geschmeidigen Dirigat Roman Kofmans präzis verdeutlicht wurde. In der Frequenz einiger Sekunden wallt die Musik auf, fließt, wird wieder gedämpft und ganz abgebremst. Zwischen den Ruhepunkten verschiedene Charaktere, die sich über größere Zeiträume entwickeln, ineinander übergehen und die fünfteilige Anlage des Werks verschleiern: naturhaftes Branden, zerklüftete Dissonanzen, schwingende Walzerreminiszenzen, tristanhaft Filmmusikalisches. Bekanntes weht vorüber, wie weich gezeichnet und fast immer dumpf grundiert, so dass ein resignativer Ton vorherrscht. Das ist teilweise sehr schön und würde als Untermalung gut zu einem Kieslowski-Film passen.

Danach trat Michail Dantchenko mit Rachmaninows 3. Klavierkonzert an: Der 24-Jährige spielte seinen monströsen Part so sicher, dass man ihm selbst das Gehabe eines Champions verziehen hätte. Dass er nichts dergleichen zeigte und nur durch seine agile, feinnervige Handarbeit überzeugte, wirkte doppelt beeindruckend – ein lang beklatschtes Meisterwerk des guten Geschmacks. Im abschließenden „Karpatischen“ Orchesterkonzert des Ukrainers Miroslav Skorik unterlagen folkloristische Anklänge bald einer archaischen Wildheit, die an Messiaen denken und keine bequeme Gefälligkeit aufkommen ließ. Das Orchester durfte hier endlich an seine dynamische Obergrenze gehen und mit mannigfaltigen solistischen Fertigkeiten zeigen, dass man einem Match in der Profiklasse beiwohnte. Jens Luckwaldt

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