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Die südkoreanische Autorin Han Kang.

© AFP/GEOFFROY VAN DER HASSELT

Update

„Für ihre intensive poetische Prosa“ : Literaturnobelpreis geht an Südkoreanerin Han Kang

Die Rettung der Menschenwürde in einer grausamen Welt: Für ihre eindringliche Prosa ehrt die Schwedische Akademie die südkoreanische Autorin Han Kang mit dem Literaturnobelpreis. Die Entscheidung ist eine Überraschung.

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Die südkoreanische Schriftstellerin Han Kang erhält den Literaturnobelpreis 2024. Das gab die Schwedische Akademie am Donnerstagmittag in Stockholm bekannt. Sie erhält die weltweit wichtigste Literaturauszeichnung für „für ihre intensive poetische Prosa, die sich historischen Traumata stellt und die Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens offenlegt“, wie der Ständige Sekretär der Akademie, Mats Malm, bei der Preisbekanntgabe sagte.

Han Kang, Jahrgang 1970, ist die 18. Frau, die den Literaturnobelpreis erhält – und die erste Frau unter den bislang verkündeten Nobelpreisträgern dieses Jahres. Auch geht der Literaturpreis erstmals nach Südkorea. Die Entscheidung gilt als Überraschung. Han war nicht als Favoritin gehandelt worden.

Ihr bekanntestes, auf Deutsch im Aufbau-Verlag erschienenes Werk ist der Roman „Die Vegetarierin“ (2007, auf Deutsch 2016). Eine junge Frau beschließt, kein Fleisch mehr zu essen, ihr Gesundheitszustand eskaliert zur Magersucht, bis sie sich zum Befremden ihrer Familie eine Metamorphose zur Pflanze wünscht. Sie möchte sich nur noch von Sonnenlicht ernähren. Vor allem die Männer, der Ehemann und der Vater, reagieren darauf mit zunehmender Härte. Ein Roman von „unheimlicher Schönheit, Grausamkeit und satirischer Bitterkeit“, schrieb Gregor Dotzauer im Tagesspiegel.  Für „Die Vegetarierin“, inzwischen in mehr als 25 Sprachen übersetzt und bereits 2009 auf Koreanisch verfilmt, gewann Han Kang unter anderem den Man-Booker-Preis.

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Auch ihr Historienroman „Menschenwerk“ (auf Deutsch bei Aufbau 2018) ist von hoher Körperlichkeit und Härte geprägt, angesichts einer brutalen Realität, in der Rettung der Menschenwürde schier unmöglich erscheint. In dokumentarisch sachlichem Ton nähert sich die Autorin dem Grauen des Massakers in ihrer Heimatstadt Gwangju von 1980, als friedlich protestierende Studenten von der Militärdiktatur gnadenlos ermordet wurden und damit die aufkommende Demokratiebewegung niedergeschlagen wurde.

Sie beleuchtet die Verbindung zwischen Körper und Seele, den Lebenden und den Toten.

Die Schwedische Akademie über die Wahl Han Kangs als Nobelpreisträgerin

„Menschenwerk“ ist eine eindringliche, erschütternde Nahaufnahme der Grausamkeit und des Leids, teils aus Sicht der Toten, teils aus der Perspektive eines 15-Jährigen, der seinen Freund bei dem Gemetzel verloren hat und bei der Bergung und Identifizierung der verstümmelten Leichen hilft.

„Was Menschen zur Gewalt treibt, hat mich schon in meiner Kindheit interessiert“, sagte Han Kang dazu in der „FAZ“. Bei der Recherche über das Massaker habe sie manchmal das Gefühl gehabt, „die Fakten würden mich wie eine Lanze durchbohren“.  Die Autorin, urteilte denn auch die Schwedische Akademie, beleuchte die „Verbindung zwischen Körper und Seele, den Lebenden und den Toten“. Mit ihrem „experimentellen Stil“ sei sie eine Erneuerin der zeitgenössischen Prosa.  

Im vergangenen Jahr war der Literaturnobelpreis an den Norweger Jon Fosse gegangen. Er wurde damit für seine innovativen Theaterstücke und seine Prosa geehrt, die „dem Unsagbaren eine Stimme“ gibt, wie es damals von der Akademie hieß. Im Jahr davor war mit der Französin Annie Ernaux ebenfalls ein großer Name der Weltliteratur zur Nobelpreisträgerin erklärt worden.

In einer Reihe mit Hemingway, Churchill und Grass

Seit der ersten Preisvergabe im Jahr 1901 sind insgesamt nunmehr 121 Literaturnobelpreisträgerinnen und -preisträger benannt worden. Darunter waren weltbekannte Literaten wie Ernest Hemingway, Selma Lagerlöf und Jean-Paul Sartre, aber auch Persönlichkeiten wie der frühere britische Premier Winston Churchill und der US-Musiker Bob Dylan, die zunächst nicht unbedingt mit der Weltliteratur in Verbindung gebracht werden. Die letzten deutschen Preisträger waren Herta Müller vor 15 und Günter Grass vor 25 Jahren, der letzte deutschsprachige der Österreicher Peter Handke vor fünf Jahren.

Weil sie jahrzehntelang vor allem männliche weiße Autoren aus westlichen Ländern ausgezeichnet hatte, war die Akademie in den 2010er Jahren immer mehr in die Kritik geraten. Nach einem MeToo-Skandal 2018 gab es schließlich umfangreiche Reformen. Seitdem wurden in der Literatur – einschließlich Han Kangs – vier Frauen und drei Männer ausgezeichnet.

In dieser Woche waren zuvor bereits die diesjährigen Preisträger in den wissenschaftlichen Kategorien Medizin, Physik und Chemie benannt worden. Unter ihnen waren sieben Männer - und keine Frau.

Nach der Bekanntgabe in der Literatur wechselt das Nobelpreis-Geschehen nun von Stockholm nach Oslo: Während die ersten vier Preisbekanntgaben traditionell in der schwedischen Hauptstadt stattfinden, folgt die Kür des Friedensnobelpreisträgers am Freitag in Norwegen. Zum Abschluss wird am nächsten Montag dann wieder in Stockholm verkündet, wer den von der schwedischen Zentralbank gestifteten Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhält.

Feierlich überreicht werden die prestigeträchtigen Nobelmedaillen am 10. Dezember, dem Todestag von Preisstifter und Dynamit-Erfinder Alfred Nobel (1833-1896). Die Auszeichnungen sind in diesem Jahr erneut mit einem Preisgeld in Höhe von elf Millionen schwedischen Kronen (knapp 970.000 Euro) pro Kategorie dotiert. (chp, mit dpa, KNA, AFP)

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