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Kommentar: Diesseits der Messe

Steffen Richter sucht nach Autoren, die nicht in Frankfurt sind.

Hallo, ist da jemand? Keiner da. Wahrscheinlich alle in Frankfurt. Wer beruflich mit Büchern zu tun hat, ist seit Wochen hibbelig. Schließlich werden in Frankfurt die Geschäftszahlen des Jahres geschrieben. Und die Stimmung? Eigentlich nicht schlecht. Natürlich kommt das vom Nobelpreis für Herta Müller. Er stärkt international die Stellung der deutschen Sprache. Ein weiteres Messethema dürfte das E-Book und der neue Amazon-Reader „Kindle 2“ werden. Nur ist mittlerweile selbst in den verträumtesten Winkeln des Betriebs klar, dass gedruckte Bücher kein Monopol für die Ewigkeit besitzen. Deshalb stürzen sich die Büchermacher nicht so blauäugig in die Digitalisierung wie seinerzeit die Musikbranche. Verhaltener Optimismus also auch hier.

Bleibt das Buchmessen-Gastland China. Von allen Veranstaltungen ist ein Sechstel dem Gastland-Auftritt gewidmet. Die Hälfte davon wird vom nichtoffiziellen, also möglicherweise kritischen China verantwortet. Für Pluralität ist gesorgt. Außerdem war die Messe schon oft Ort politischer Auseinandersetzung: Seitdem Gastland-Auftritte 1988 an die Stelle der jährlichen Themenschwerpunkte getreten sind, lieferten Russland, die arabische Welt und Katalonien Diskussionsstoff. Ganz zu schweigen von den Verleihungen des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, die mit Günter Grass’ Laudatio auf den Kurden Yasar Kemal oder Martin Walsers Auschwitz-Rede oft ein Politikum waren. Vom diesjährigen Preisträger Claudio Magris aus Triest ist allerdings kaum Skandalöses zu erwarten.

Wo aber soll man in Berlin Literatur erleben, wenn alle in Frankfurt sind? Hoppla, noch sind nicht alle abgereist. In der Literaturwerkstatt gibt es am heutigen Dienstag (20 Uhr 30) einen China-Abend. Diskutiert wird über die Verbreitung junger deutscher Literatur in China und moderne chinesische Lyrik – u. a mit der Lektorin Kelly Li und den Autoren Xue Xinran sowie Susanne Messmer (Knaackstr. 97, Prenzlauer Berg). Außerdem kommt Katharina Hacker heute (20 Uhr) mit „Alix, Anton und die anderen“ (Suhrkamp) ins Literaturhaus (Fasanenstr. 23, Charlottenburg). Sie erzählt, wie Menschen in der Mitte ihres Lebens zu denen geworden sind, die sie sind. Vor drei Jahren gewann Hacker übrigens mit „Die Habenichtse“ den Deutschen Buchpreis in Frankfurt.

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