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Kultur: Marilyn Manson

Nicht schuldig" titelte der New Musical Express nach dem Amoklauf von zwei verwirrten Teenagern in Littleton, bei dem fünfzehn Schüler erschossen worden waren. Die englische Musikgazette wehrte Anwürfe der Boulevardpresse ab, die den amerikanischen Endzeit- und Grusel-Rocker Marilyn Manson für das Highschool-Massaker stellvertretend zur Verantwortung ziehen wollte.

Nicht schuldig" titelte der New Musical Express nach dem Amoklauf von zwei verwirrten Teenagern in Littleton, bei dem fünfzehn Schüler erschossen worden waren. Die englische Musikgazette wehrte Anwürfe der Boulevardpresse ab, die den amerikanischen Endzeit- und Grusel-Rocker Marilyn Manson für das Highschool-Massaker stellvertretend zur Verantwortung ziehen wollte. "Da schlachten diese beiden durchgedrehten Burschen ihre Klassenkameraden ab, von denen einige sie in der Schule verspotteten, und die Presse gräbt ein paar nette Buhmänner aus, um ihnen die Schuld anzuhängen: Hitler und Manson. Der eine ist tot. Viele wünschen, der andere wäre es auch", schrieb der NME. Marilyn Manson ist die letzte radikale Provokation des Pop. Eine Attacke auf Geschmack und Sitten, die das Erhabene einer von allen Konventionen losgelösten Existenz verkörpert. Die schlacksige, geschlechtslose Gestalt mit dem traurigen Blick wirkt wie ein Wesen, das sich in einem Rock-Exerzitium von jedem Rest bürgerlicher Erziehung gereinigt hat, um jetzt als "Antichrist Superstar" aufzutreten. In diesem Gesamtkunstwerk aus schrillen Kostümen, überschminkten, maskenhaften Gesichtszügen und düsteren Orakelsprüchen spielt die Musik noch die geringste Rolle. Sie ist eine Übertreibung wie alles andere: eine zum Hardcore gesteigerte Variante des Glamrock. Daß Manson die Öffentlichkeit trotzdem schockiert, liegt an der Zweideutigkeit seiner Selbstdarstellung. Mit der Wut eines Punk bricht er in die Wirklichkeit ein und flieht doch gleichzeitig mit der Eleganz eines glamourösen Pop-Eleven in seine eigene Kunstwelt. Konsequenterweise hat er sich einen Künstlernamen ausgesucht, der an das Sexidol Marilyn Monroe und an den satanischen Sektenführer Charles Manson erinnert - und sämtliche Mitglieder seiner Band haben sich nach Massenmördern benannt. Manson beteuert, daß ihn die Gleichgültigkeit anwidere, mit der sich in Amerika Gewalt verbreiten kann. "Mit meiner Arbeit versuche ich den Leuten zu zeigen, daß der Teufel, dem wir unsere Greultaten anlasten, in jedem von uns steckt". Sein Körper trägt etliche Narben, die von entsetzlichen Selbstverstümmlungen zeugen - Spuren des Kampfes mit dem inneren Biest. KM

Marilyn Manson tritt heute mit den Guano Apes in der Wuhlheide auf, 17 Uhr

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