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Berlinale: Martenstein die Dritte

Harald Martenstein weiß, wer Schuld an diesem Winter hat.

Ein amerikanischer Kollege beklagte sich über den Zustand der Gehwege. Er habe gelesen, dass in Berlin Strafgefangene eingesetzt werden, um die Gehwege vom Eis freizuhacken. Wieso man trotzdem bei dieser Berlinale ständig in der Gefahr schwebe, einen Oberschenkelhalsbruch zu erleiden. Ich sagte, er wisse doch, wie lasch und liberal wir Deutschen seien. Wir hätten einfach nicht genug Strafgefangene. Es kriegen ja alle Bewährung. Was das Wetter angehe: Ich wisse, wer schuld sei. Er könne sich entspannen, es sei ausnahmsweise nicht die CIA.

Anfang 1979, das Festival war gerade vom Sommer in den Winter verlegt worden und ich besuchte es zum ersten Mal, nicht als Kritiker, nur als Tourist, erlebte Deutschland den härtesten Winter seit Menschengedenken. Im Dezember fiel die Temperatur an einem einzigen Tag um 30 Grad. Der längste Eissturm dauerte 78 Stunden, nonstop. Bei dem Versuch, eingeschlossene Dörfer zu befreien, blieben deutsche Panzer, zum ersten Mal seit längerer Zeit, im Schnee stecken. Im Wettbewerb lief ein Film namens „Winterkinder“, Regie: Astrid Henning-Jensen, Dänemark.

Erst 1985 sprach man dann wieder von einem „Eiswinter“ mit Dauertemperaturen von fast minus 20 Grad. Die Berlinale hatte „Der Nachkomme des Schneeleoparden“ im Programm, von dem Sowjetmenschen Tolomusch Okejew. Zunächst dachte ich mir nichts dabei, das kann ja alles Zufall sein. Ungewöhnlich war allerdings, dass 1987 der Winter schon wieder ziemlich extrem ausfiel, mit heftigem Eisregen noch im März. Es war das Jahr, in dem die Berlinale „Frostige Wege“ ins Programm genommen hatte, ein Werk des Iraners Manood Jafari Jozani.

Die folgenden Winter blieben unauffällig, sowohl beim Wetter als auch bei den Filmtiteln. Es war sogar von dauerhafter Klimaerwärmung die Rede. 1996 aber fror die Ostsee zu, es war ähnlich wie diesmal, überall Eis. Die Berlinale zeigte von Jan Hempel: „Die Rutschpartie“. Ich bin kein Wetterprophet. Aber dann las ich, dass sie im Forum ihr Jubiläum mit Wunschfilmen feiern. Auf Wunsch der Regisseurin Ulrike Ottinger werde ein Film gezeigt, in dem zum ersten Mal das nordsibirische Idiom Netet gesprochen wird, er heißt „Seven Songs from the Tundra“.

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