zum Hauptinhalt
Demonstrieren und dabei Straßen blockieren: Die "I Am A Muslim Too"-Demo in New York am 19. Februar.
© AFP

Kolumne Trump und ich (6): Meine Hupe, deine Hupe

Amerika unter Donald Trump? Seit der Amtseinführung berichtet unsere New Yorker Autorin aus ihrem Alltag mit dem neuen Präsidenten. Heute über das Verkehrschaos, das die Anti-Trump-Proteste auslösen.

Dieser Tage schlingere ich zwischen zwei neuen Fakten hin und her: zwischen Trumps Versuch, Einwanderer aus Amerika fernzuhalten, und dem Umstand, dass, wenn du doch irgendwie reinkommst, kein Durchkommen ist, wegen des Verkehrs.

Wohlgemerkt: „Neue Fakten“ sind nicht „alternative Fakten“, also nicht das, was das Weiße Haus laut Senior-Beraterin Kellyanne Conway bekanntgibt, angefangen mit der Zahl der Leute bei der Amtseinführung von Trump. Mit „neuen Fakten“ meine ich das, was jetzt normal ist in meinem Land.

Ein Heer von Enthusiasten

Zum Beispiel, dass man nirgendwo mehr hinkommt, weil die Straßen verstopft sind. Sonntag vor acht Tagen zum Beispiel war #IAMMUSLIMTOO-Tag : Auch ich bin ein Muslim. Tausende protestierten am Times Square gegen Trumps Einwanderungspolitik. Meilenweit kamen Schnecken schneller voran als Autos. Glauben Sie bloß nicht, Ihr umweltfreundliches Fahrrad hätte Ihnen weitergeholfen in diesem gewaltigen Pulk von Rucksäcken, Buggys, Rollstühlen und Fußgängern. In die Pedale treten? Vergiss es! Auch der Bürgermeister war da, er kam mit Chelsea Clinton, Rabbinern, Pfarrern und Leuten, die „Yes we Qu’Ran!“-Schilder trugen. Was den Humor betrifft, sorgt Trump wirklich dafür, dass Amerika great again wird.

Ich wollte eigentlich nicht zur #IAMMUSLIMTOO-Demo, ich brauchte mal eine Pause, so viel wie ich in letzter Zeit demonstrieren war. Ich wollte zum Ballettunterricht drei Straßen weiter. Aber durch etwas Furchterregendes saß ich in der Falle: ein Heer von Enthusiasten.

Die Wut über den Stau vereint alle

Am Montag war dann „Not Our President’s Day“ am Columbus Circle, ein riesiger Verkehrsstau schon um vier Uhr nachmittags. Wer von Manhattan-Süd nach Manhattan-Nord wollte, musste einen Umweg über Ohio in Kauf nehmen. President’s Day ist eigentlich ein Feiertag zu Ehren von George Washington und Abraham Lincoln. Vergiss die Geschichte, die ist für die Toten! Jetzt sind unentwegt Tausende unterwegs, von Los Angeles bis Michigan und Pennsylvania, um gegen den Präsidenten zu protestieren und gegen die, die in Florida für ihn auf die Straße gingen – was dort ebenfalls zu Verkehrschaos führte.

Ja, Trump wird die Spaltung des Landes überwinden, die die Gesellschaft seit den 60er Jahren auseinanderdriften lässt, und uns alle im Verkehrsstau vereinen, als menschliche Wesen, die das gleiche Schicksal teilen. Wir werden dem ANDEREN in die Augen schauen, Republikanern oder Demokraten, Rassisten oder Afroamerikanern, Moslems oder Juden, und unsere eigene Asphalt-Wut in ihnen wiederfinden. Wir wollen doch alle dasselbe: auf die Hupe drücken, dem Wagen vor uns den Stinkefinger zeigen und endlich wieder einen anderen Gang einlegen als nur den ersten. Und wir werden gemeinsam die Friedenshymne anstimmen, „Sag mir, wo die Ampeln sind“.

Es gibt Leute – bedeutende Leute – , die mir sagen, alles wird great again.

Marcia Pally lehrt Multilingual Multicultural Studies an der New York University. Übersetzung: Christiane Peitz

Marcia Pally

Zur Startseite