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Kultur: Mit Krähe

LIEDERABEND

Das Abenteuer „Winterreise“ besteht Kwangchul Youn mit großer Sensibilität. Im Apollo-Saal der Staatsoper, deren Ensemble er seit 1994 angehört, überrascht er als Liedersänger mit Fantasie und Vorstellungskraft. Das bedeutet, dass er Klischees meidet, die an der Aufführungsgeschichte des Schubert-Zyklus’ haften. Gute Meister haben ihm den Weg von der koreanischen Heimat zum deutschen „Lindenbaum“ bereitet, er hörte zu, um selbständig zu werden. In Burkhard Kehring hat er einen kundigen Klavierpartner, dessen Begleitung aus der Mitte der Musik kommt. Die majestätische junge Bassstimme Youns, die für Wagner taugt, hat sich ihre Mozart-Beweglichkeit bewahrt. Es gibt ein paar belegte Töne, aber unzählige wunderschön schwingende. Seine wissende Gestaltung der Gedichte Wilhelm Müllers basiert auf einer geradezu unerhörten Atemtechnik. Mühelos verbindet er, was zusammengehört: „Eine Krähe war mit mir aus der Stadt gezogen.“ Die Bögen seines Gesangs faszinieren, weil sie niemals auftrumpfen. Sie betreffen andererseits den Kern der Interpretation. Die erste Strophe des „Krähe“-Liedes wird mit ihrem erzählenden Charakter abgesetzt von der schauerlichen Imagination der „Treue bis zum Grabe“. Diese „Winterreise“ hält ihre eigene Balance zwischen Rezitation und Espressivo. Ein Erlebnisbericht aus der Seele.

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