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Kultur: "Monument für John Kaltenbrunner": Wort-Tornado

Baker, ein gottverdammtes Kaff im Corn Belt des amerikanischen Mittelwestens zur Zeit Reagans. Tumbe Horden mit Pickups, Gewehrständern und Südstaatenflaggen inszenieren hier einen Albtraum aus Gewalt und Rassismus.

Baker, ein gottverdammtes Kaff im Corn Belt des amerikanischen Mittelwestens zur Zeit Reagans. Tumbe Horden mit Pickups, Gewehrständern und Südstaatenflaggen inszenieren hier einen Albtraum aus Gewalt und Rassismus. Es ist der white trash der Provinz, der mit seinem Hang zu Selbstjustiz und verkehrtem Patriotismus allem, was nicht seiner Weltsicht entspricht, die Schrotkugeln in den Leib ballern möchte. Ein namenloser Chronist schildert in Egolfs Debütroman die Geschichte des John Augustus Kaltenbrunner, einer Tragödie gleich. Es ist die Geschichte einer Empörung und ein literarischer Amoklauf, eine Wortlawine, die bis zum Ende mitreißt.

In "Monument für John Kaltenbrunner" herrscht eine geradezu sensationelle Ökonomie des Erzählens, ein gewieftes Spiel mit Tempowechseln und Schnitten. Dass Egolf auch Musiker ist (und Punk gewesen sein soll), verwundert nicht. Etwas von seinem Zorn und der Verweigerung, sich bürgerlichen Konventionen zu ergeben, wird hier in Gestalt des wilden John spürbar, der im Schatten seines toten Vaters aufwächst. Er wird zum Feindbild, ein Außenseiter und Querkopf, an dem alle ihren Frust abreagieren.

Alles beginnt mit dem Tod seines Vaters. Die Mutter ist "hoffnungslos bekümmert", John baut die verwahrloste Farm wieder auf. Für die einen ist er ein Wunderkind, die anderen beschimpfen ihn als "Freak auf dem Traktor". Auch wenn er Schwierigkeiten mit Schule und Gesellschaft hat, entwickelt sich anfangs alles ziemlich gut. Doch dann zerstört ein Tornado die Farm, die Mutter wird unheilbar krank und überschreibt die Farm erbgierigen Methodistinnen. John hat einen Autounfall, sein Lieblingsschaf stirbt und mit ihm die Ordnung des Hofes. Es folgt der totale Zusammenbruch. John verliert fast den Verstand vor Kummer und schlägt wie ein "untröstlicher Zombie" wild um sich. Drei Jahre Haft, diverse Jobs, sozialer Abstieg, und dann, in letzter Minute die Chance, als Müllmann zu arbeiten.

Müllmänner gelten in Baker als der letzte Dreck. John verschafft sich bei ihnen Respekt, solidarisiert die Gruppe und verhilft ihnen zu größerer Selbstachtung. Er ermutigt sie zum Boykott gegen einzelne Kunden und schließlich führt ein Generalstreik der "Haldenschrate" zum "Krieg der Saubermänner", das Leben in Baker liegt lahm, die Region versinkt im stinkenden Chaos, bei einem Basketballspiel eskaliert die Stimmung zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen.

John Kaltenbrunner: ein Vorgeschmack auf den Besuch der apokalyptischen Reiter in Amerika: "Hier lebte von jeher nichts als Pöbel, zu dessen Lebensgewohnheiten es immer gehört hatte, einander an die Gurgel zu gehen."

Thomas Kraft

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