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Kultur: München leuchtet wieder

Vor der Eröffnung der neuen Kammerspiele

Lange Zeit ist es eine Leerformel gewesen, wenn der Trambahnschaffner der Nummer 19, Richtung Pasing, an der Maximilianstraße gewohnheitsmäßig „Nächster Halt: Kammerspiele“ gesagt hat – denn da war ja nichts mehr außer Staub und Dreck und vielen Löchern. Und Streit. Drei Jahre lang. Natürlich mag das gar keiner mehr richtig glauben heute, wie viele Auseinandersetzungen es in dieser ganzen Phase um den Neubau hinter dem Schauspielhaus und das Haus selber gegeben hat, und so durfte Münchens Oberbürgermeister Christian Ude schon einmal vor der feierlichen Wiedereröffnung des Theaters am Sonntag ironisch resümieren, dass man den gewünschten Erfolg für die Kammerspiele einfach nicht billiger hätte bekommen können.

In München findet das nicht jeder zum Lachen, weil es eben schon ein Unterschied ist, ob eine Kommune die zum Baubeginn 1997 vereinbarten 73 Millionen Euro für die Totalsanierung eines einzigartigen Jugendstiltheaters und neue Werkstätten und Proberäume ausgibt, oder ob am Ende dann über 110 Millionen zu Buche stehen. Natürlich haben aber die Architekten Peichl, Achatz und Schumer das Geld nicht einfach verbuddelt. Es war vielmehr so, dass die Herren im Laufe von Ausgrabungen mehr oder minder zufällig auf Folgendes stießen: Man hätte im Grunde genommen das ganze Theater schon vor hundert Jahren nicht so bauen dürfen. Und man hätte darüber hinaus Anfang der siebziger Jahre nicht als Renovierung ausgeben dürfen, was bautechnisch lediglich leidlich den Tatbestand des Überschminkens erfüllte. Wo Stützpfeiler hätten sein sollen, klebte bemalte Tapete, wo etwas zum Tragen bestimmt war, hing es im Zweifelsfall durch – und das Publikum der Kammerspiele kann im Nachhinein wirklich von Glück sagen, dass über die Jahrzehnte hinweg das Haus nicht einfach mal über ihm zusammengestürzt ist.

Nun aber können sie’s wieder hübsch leuchten lassen in den Kammerspielen, und das liegt nicht nur an den neuen Scheinwerfern, sondern insgesamt an einer Bühnentechnik, die derzeit republikweit ihresgleichen sucht. Und doch hat der ganze Aufwand der Intimität des Hauses nicht geschadet, dafür haben schon die Auflagen der Denkmalschützer gesorgt. Aber frisch sieht das alles aus: das Foyer in einem leichten Orangeton (wo früher die Kassenhäuschen waren, ist jetzt eine kleine Bar untergebracht), die Stühle blau bezogen, die Wände in gedecktem Rot gemalt: die Kammerspiele sind wieder ein ziemliches Schmuckkästlein. Und es ist ein Wunder, wie hell man es hier drin machen kann für die maximal 722 Zuschauer, und wie weit die Bühne öffnen.

Die Kammerspiele in München haben nun tatsächlich alles unter einem Dach versammelt, was man zum Theatermachen so braucht – es entfallen lange Fahrwege und die Vergabe von Auftragsarbeiten an andere Handwerksbetriebe. Nur im Malersaal, das haben die Arbeiter bereits seit längerem erkannt, hat der Gestaltungswillen der Architekten dazu geführt, dass nicht genügend Stellfläche für Dekorationen vorhanden ist. Das Dach fällt schräg ab, die Ecken sind gerundet: Man bucht es unter Kinderkrankheiten im Theater ab.

Das Team von Frank Baumbauer hat viel Einsicht zeigen müssen und nun schon weit über ein Jahr im rückwärtigen Teil des Gebäudes gewissermaßen auf einer Baustelle gespielt, nicht ohne Erfolg. Ab sofort sind die Aussichten eigentlich nur noch prächtig. Am kommenden Samstag inszeniert Luk Perceval, der den Kammerspielen im Übergang mit Jon Fosses „Traum im Herbst“ eine wunderschöne Inszenierung schuf, als Eröffnungspremiere Shakespeares „Othello.“

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