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Rapper Kollegah bei der Echo-Verleihung

© Reuters/Pool/Axel Schmidt

Nach der Echo-Verleihung: Antisemitische Klischees und Verschwörungstheorien

Über den Auschwitz-Vergleich des Rappers Kollegah ist die Empörung groß. Doch in anderen Liedtexten finden sich deutlich mehr antisemitische Bilder.

Die Rapper Farid Bang und Kollegah wurden am vergangenen Donnerstag mit dem Echo für ihr Album „JBG 3“ ausgezeichnet. Eine Zeile des Albums lautet: „Mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen“. Als wäre das nicht genug, erfolgte die Preisverleihung am 12. April, dem israelischen Holocaustgedenktag. Die Zeile rief daraufhin in der Öffentlichkeit laute Kritik hervor.

Das Ziel im Battlerap liegt darin, durch möglichst clevere oder krasse Vergleiche die eigene Person zu überhöhen und Gegner und die Konkurrenz lächerlich zu machen. Provokationen, Geschmacklosigkeiten und lyrische Schläge unter die Gürtellinie liegen in der Natur des Genres. Nach dieser Eigenlogik stellt der Auschwitz-Vergleich ein wirksames Mittel dar. Doch abseits des öffentlichen Fokus finden sich in anderen Liedern von Felix Blume, wie der Rapper Kollegah bürgerlich heißt, unterschwellige antisemitische Klischees und Verschwörungstheorien.

Die Blutlinien der Mächtigen

In dem 2016 veröffentlichten Video zu dem Lied „Apokalypse“ zeichnet Blume zunächst ein düsteres Endzeitszenario, das von den Illuminaten herbeigeführt wurde. Darauf folgt eine stückhafte Aneinanderreihung biblischer Mythen und Verschwörungstheorien. So wird im Liedtext etwa behauptet, alle Mächtigen der Geschichte würden den gleichen dreizehn Blutlinien entstammen. Das Video zeigt parallel dazu eine Auflistung der dreizehn Familiennamen, darunter die jüdische Bankiersdynastie Rothschild, vereint unter einem Illuminati-Siegel, sowie in einander verschwimmende Porträts der britischen Königfamilie und des ehemaligen US-Präsidenten George Bush Senior.

Von Jerusalem zum Finanzkomplex

Blume selbst nimmt im „Showdown“ des Liedes die Rolle des tapferen Helden ein, der die Welt im Kampf gegen die Dämonen vor dem Untergang bewahrt. Zunächst spielt sich die Szenerie im von Israel besetzten Ost-Jerusalem ab, wo er sich einer „endlosen Übermacht auf dem Tempelberg“ gegenübersieht. Daraufhin teleportiert sich Blume plötzlich zum Canary Wharf, einem Wolkenkratzerkomplex in London, der zahlreiche Medienunternehmen und finanzielle Institutionen beherbergt. Der Rapper konfrontiert dort den im Anzug gekleideten „Kopf der Dämonen“.

Schließlich zeigt das Musikvideo ein neu geschaffenes Paradies auf Erden, wo „Buddhisten, Muslime und Christen“ die zerstörten Städte wieder aufbauen – das Judentum wird nicht erwähnt. Den Abschluss des Videos bildet gar eine Bücherverbrennung. „Bücher mit der schwarzen Aura“, die laut Liedtext noch immer gefunden würden, landen flugs auf dem Scheiterhaufen.

 Verschleierter Antisemitismus

„Apokalypse“ ist kein Einzelfall. Auch Blumes Lied „NWO“ (Neue Weltordnung) spricht von Präsidenten als Marionetten, einer „mächtigen Minderheit“ und Kriegen „unter dem zufriedenen Blick des allsehenden Auges“. Das Einstreuen verschwörerischer Symbole und neuer Begriffe ist für den Antisemitismusforscher Uffa Jensen von der Technischen Universität Berlin keine Neuheit, sondern ein Charakteristikum des Antisemitismus nach 1945: „Statt offen zu sagen ‚Ich bin Antisemit‘ sehen wir ein Spiel mit antisemitischen Versatzstücken.“

Blume selbst bestreitet den Vorwurf des Antisemitismus. Paradoxerweise, so Jensen, könnten solche öffentlichen Dementis die Aufmerksamkeit der eigenen Zuhörerschaft gerade wieder auf einen Bezug der Inhalte zum Judentum lenken. Auch gibt der Experte über den Einfluss der Passagen auf die Jugendkultur zu denken. Zuletzt wurde berichtet, dass „Jude“ auf Deutschlands Schulhöfen als Schimpfwort Verwendung findet.

Fiktion oder Ernst?

Es gibt den künstlerischen Spielraum, in dessen Rahmen nicht jede fiktive Darstellung unbedingt bedeutet, dass der Autor selbst komplett mit der Aussage des Werkes übereinstimmt. Das Musikvideo zu „Apokalypse“ stilisiert Blume allerdings zum Helden im Kampf gegen das Böse, von einem Verweis auf einen ironischen Charakter fehlt jede Spur.

Antisemitismusforscher Jensen bestätigt, dass gerade der größere Kontext der öffentlichen Äußerungen und Handlungen des Rappers relevant sei: Blume selbst leugnete in der Vergangenheit die Erkenntnisse der Evolutionswissenschaft und produzierte 2016 eine Dokumentation über den Nahostkonflikt. In dem Video reist er in die palästinensischen Gebiete, wo er sich als großzügiger Geber für eine palästinensische Schule inszeniert, sich vor einem israelischen Grenzposten aufbaut, demonstrativ seinen Bizeps anspannt und einem Jungen Luftballons in Raketenform abkauft.

Während eine offensichtliche Provokation, wie die vielzitierte Auschwitz-Zeile, ein großes Medienecho erfahren haben, bedienen sich Lieder wie „NWO“ oder „Apokalypse“ deutlich perfiderer antisemitischer Anspielungen. Wo hört Blumes private Meinung auf, wie viel ist künstlerische Übertreibung? Die Grenze zwischen öffentlichen Aussagen des Rappers und verschwörungstheoretischen Anspielungen in seinen Texten ist jedenfalls nicht klar gezogen.

Leon Holly

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