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Kultur: Nachtgestalten

Wettbewerb (2): „Rezervni Deli – Ersatzteile“ von Damjan Kozole

Von Gregor Dotzauer

Geschichten fangen damit an, dass Leute einen Namen haben. Sonst wären Ludvik und Rudi nur Fälle: Arbeitslose in der slowenischen Industriestadt Krsko oder Kleinkriminelle in einer Schlepperorganisation, die illegale Flüchtlinge von Kroatien an die italienische Grenze bringt. Dass die beiden Menschen in den Laderaum ihres Wagens pferchen, die nicht einmal einen Namen haben und nichts mitbringen als ihre Verzweiflung und tausend Euro in der Hand, privilegiert sie. Die Fälle, das sind für Ludvik (Peter Musevski) und Rudi (Aljosa Kovacic) die anderen: Kurden, Albaner, Iraner, Afrikaner. Wenn sie es noch nicht sind, meint Ludvik in seiner zynischen Art, werden sie es zumindest werden: Drogendealer, Huren oder menschliche Ersatzteillager, die ihre Investition in Europa mit dem Verkauf einer Leber oder einer Niere rentabel machen. Falls sie es überhaupt lebend über die Grenze schaffen und nicht im Kofferraum ersticken.

Die Geschichte der Opfer aus der Perspektive von Handlangertätern miterzählen: Das ist die Herausforderung, die Damjan Kozole mit „Rezervni Deli“ (Ersatzteile) angenommen hat. Im Grunde verhindert sie die vorschnelle Psychologisierung (also Trivialisierung, also Moralisierung) des Themas besser als die Flüchtlingsperspektive von Michael Winterbottoms „In this world“. Doch statt sich in dem komplexen System von Verbrechen und Elendsflucht zu verirren, dem die Polizei als dunkle Drohung gegenübertritt, bleibt der 1964 geborene Slowene Kozole im Ausbuchstabieren der Beziehung von Ludvik und Rudi stecken.

Es ist die alte Geschichte vom Novizen, der initiiert wird und am Ende an die Stelle seines Meisters tritt. Von einem, der am Anfang noch jedesmal die Augen weit aufreißen möchte vor Schreck und dann schnell so abgebrüht wird, dass es der Alte, dessen Blick schon stumpf und müde geworden ist, mit der Angst zu tun bekommt.

„Rezervni Deli“ ist nah an den Gesichtern, zügig und ohne Mätzchen erzählt. Wo Menschen nachts heimlich in Lastwagen gescheucht werden, hat man es eilig, und die Verhältnisse sind auch tagsüber so trostlos, dass die Farben unter einem ockerfarbenen Schleier ersticken. Ein Film mit mehr Würde als die zahllosen, völlig auf den Hund gekommenen Fernsehreportagen zum Thema, die nichts als Spannung verkaufen wollen: Über ihre Klischees ist er nicht hinweg.

Heute 15 Uhr, 18.30 Uhr (Royal), 22.30 Uhr (International)

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