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Kultur: Nase um Nase

John Pasquins „Joe Jedermann“ gibt Weicheiern keine Chance

Familienunterhaltung ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Früher konnte man sich von dieser Sorte Film eine heile Welt vorspielen lassen, in der es keine Armut und keine Zwietracht gibt. Heute handeln selbst harmlose Unterhaltungsfilme von Scheidungen, Depressionen und Mobbing. Eine besonders schwierige Aufgabe haben sich Regisseur John Pasquin und sein Hauptdarsteller Tim Allen vorgenommen. Das Erfolgsteam, etabliert durch Weihnachtsware im Stile von „Santa Clause“ Teil I und II, kritisiert in „Joe Jedermann“ den Wellness-Kult, möchte zugleich aber auch Wellness verbreiten. Nur halt die richtige.

Joe Scheffer (Allen) kocht vor Wut. Ein bulliger Kollege hat ihm den Parkplatz weggenommen und ihn vor den Augen seiner Tochter geohrfeigt. Joe schämt sich, er geht nicht mehr zur Arbeit, hört plötzlich auf, sich zu rasieren, lässt sein Hemd aus der Hose hängen. Und sinnt auf Rache. Das missfällt seinem Arbeitgeber. Das pharmazeutische Unternehmen, in dem er angestellt ist, erwartet von seinen Mitarbeitern in erster Linie gute Laune. Dafür gibt es besondere Therapeuten. Joe möchte den Ärger aber nicht in sich hineinfressen. Er will zurückschlagen.

Folglich sucht er einen heruntergekommenen Kampfsportfilm-Star auf, der Selbstverteidigung unterrichtet. Jim Belushi liefert in dieser Rolle eine köstliche Steven Seagal-Parodie. Bald kann Joe Scheffer ordentlich treten und schlagen. Aber ist die große Rache an dem Kollegen wirklich erstrebenswert?

Wichtige Fragen zum Thema Mobbing werden angesprochen, doch Pasquin und Allen übernehmen sich. Joes Depression nach der Ohrfeige wirkt albern, weil Allen sich nicht traut, seelische Abgründe zu vermitteln. Seine geschiedene Ehefrau wird erbarmungslos denunziert: Sie inszeniert Brechts „Baal“ an einem Off-Theater, schmust mit ihrem langhaarigen Liebhaber vor den Augen der Tochter herum und trägt sexy Kleidung. Die altkluge Tochter sagt Sätze wie: „Dich mit dem Kerl zu schlagen ist keine Lösung, Dad“. Und Joes neue Liebe ist eine süße Büromaus mit dem Namen Meg – wie Meg Ryan.

Pasquin und Allen propagieren kein Helden-, sondern eine Art heroisches Versagertum. Man soll Probleme nicht weglächeln, keine Harmonie um jeden Preis erzeugen – ja gut, aber was soll man stattdessen tun? In „Joe Jedermann“ lösen sich alle Probleme von selbst. Hier wird mal wieder der Durchschnittsbürger gefeiert, mit der Hoffnung auf einen Kassenhit – und Kritikerlob. Wie soll so etwas gutgehen?

Cinestar Hellersdorf, Zoo Palast

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