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Die Tänzerinnen und Tänzer des Nationalballett Kosovo.

©  Anna Agliardi

Nationalballett Kosovo in Berlin: Deep House aus Pristina

Der Berliner Choreograf Jochen Roller und seine Hamburger Kollegin Friederike Lampert hat mit dem Nationalballett Kosovo das Taznstück „SYN-“ einstudiert, das jetzt in den Sophiensälen zu sehen ist.

Von Sandra Luzina

Zuerst zieht ein weiblicher DJ im goldenen Catsuit, die erhöht auf einem Podest steht, die Blicke auf sich. Schauspielerin Agnes Nokshiqi gibt in dem Tanzstück „SYN-“ die Zeremonienmeisterin. Wenn die Beats erklingen, beschwört eine Männerstimme die einigende Kraft von House Music, die alle Unterschiede aufhebt. Eine Deep House Party ist es aber nicht, die hier in den Sophiensälen losbricht. Das macht das feierliche Entrée der Balletttänzer deutlich. Schleier in verschiedenen Rottönen verhüllen ihre Gesichter, während sie gemessenen Schrittes die Diagonale entlang tanzen.

Der Berliner Choreograf Jochen Roller hat gemeinsam mit der Hamburger Choreografin Friederike Lampert ein Stück für 13 Tänzer des Nationalballett Kosovo entworfen. Für Roller ist es nach dem Theaterstück „Carla Ponte trinkt in Pristina einen Vanilla Chai Latte“ bereits die zweite Zusammenarbeit mit Künstlern aus dem Kosovo. Dass das Nationalballett Kosovo überhaupt existiert, ist schon erstaunlich. In den 90er Jahren ist es der ethnischen Säuberung durch die serbischen Behörden zum Opfer gefallen. Erst nach dem Krieg, so berichtet Roller in einem Interview, konnte das Ensemble 2001 durch den jetzigen Ballettdirektor Ahmet Brahimaj wieder am Nationaltheater etabliert werden.

Simple und repetititive Choreografie, kaum rhythmische Variationen

Das Ensemble definiert sich als muslimisch, auch darauf soll der Schleier verweisen, der allerdings rasch abgelegt wird. Jochen Roller und Friederike Lampert haben sich mit den Tänzern über ihre Gemeinsamkeiten verständigt: das ist neben dem Vokabular des klassischen Balletts auch House Music, die ebenfalls eine universelle Sprache darstellt. Wenn die Tänzer hier ihre abgezirkelten Figuren zu Deep House aus der Clubszene Pristinas ausführen, soll das wohl ein Remix sein. Doch die so simple und repetititive Choreografie, die kaum rhythmische Variationen aufweist, mutet meist wie in die Länge gezogene Exercises an.

Das Regelwerk des Balletts wird nur selten ausgehebelt. Während die DJ sich locker macht und schon mal in laszive Posen wirft, werden die Tänzer an der Kandare gehalten und meist auf Gleichschritt geeicht. Wenn sie zum Schluss mit Flatterschals ihre Sprungkombinationen absolvieren, erinnert das ein bisschen ans Fernsehballett.

Das Choreografen-Duo will den kosovarischen Balletttänzern ein cooles Image verpassen, doch stattdessen zwängt es sie in ein starres Korsett. Das Stück driftet schon bald in die Monotonie ab. „SYN-„ möchte die Gemeinschaft feiern, doch die Formationen wirken brav und oft auch einengend. Wie sich Freiheit innerhalb eines Kollektivs, innerhalb einer klar definierten Struktur anfühlt, davon erzählt der Abend nichts.

Sophiensäle Berlin, bis 22. April

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