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Gediegener Sound. Katie Melua im Theater am Potsdamer Platz.

© Eventpress Hoensch

Katie Melua in Berlin: Nur ein Hauch von Leidenschaft

Perfektionistischer Pop: Sängerin Katie Melua spielt im Theater am Potsdamer Platz ein Konzert. Große Gefühle wollen allerdings nicht aufkommen.

Die Luft ist stickig im vollen Theater am Potsdamer Platz. Die meisten Besucherinnen und Besucher, die in den 1754 roten Plüschsesseln Platz genommen haben, sind Paare über 50 mit ihren Freunden. Einige haben ihre Teenager-Töchter mitgebracht. Als Katie Melua in einem eleganten Abendkleid auf die Bühne kommt, wird sie mit warmem Applaus empfangen. Sie revanchiert sich mit dem melancholischen Song „Belfast“, der von ihrer Zeit in Nord-Irland handelt. Eine ähnliche Stimmung hat die Coverversion von Blacks „Wonderful Life“, bevor Melua eine reduziertere Version ihres Hits „9 Million Bicycles“ spielt.

Die 34-jährige britisch-georgische Musikerin steht bemerkenswert still in ihren weißen Stilettos, während sie die Akustikgitarre wie ein Neugeborenes in den Armen hält. Die vierköpfige Band – ihr Bruder spielt die Gitarre – legt eine diskrete, sehr tighte Basis für Meluas Stimme, die Salti schlagend ihren enormen Umfang erkundet. Während der bluesigen Coverversion „Crawling Up A Hill“ erreicht das Konzert seinen Höhepunkt. Die Bandmitglieder steigern sich in kunstfertige Soli hinein, während Katie Melua auf ihren hohen Absätzen umherwirbelt. Ein Hauch von Leidenschaft kommt auf – etwas, das dem Abend ansonsten völlig abgeht. Alles wirkt sehr kontrolliert und kalkuliert.

Eine technisch derart begabte Sängerin ohne jegliches Temperament zu erleben, ist eine frustrierende Angelegenheit. Dabei lassen insbesondere die Blues-Nummern erahnen, dass Meluas sanfte, geerdete Stimme durchaus das Potenzial hat, einmal ungezogen oder melancholisch zu sein. Doch die Sängerin beherrscht sich sogleich wieder. Bei ihren Balladen „Piece By Piece“ und „Plane Song“ ist sie zurück in ihrer Komfortzone der Gediegenheit und macht keinerlei Anstalten, auch nur den Ansatz eines echten Gefühls zu zeigen.

Stattdessen erzählt sie dem Publikum in einer äußerst sachlichen Weise, dass sie ihren Ehemann seit zwei Wochen nicht gesehen hat und, dass sie sich darauf freut, ihn am Wochenende endlich wiederzutreffen. Sie denke immer an ihn, wenn sie ein Liebeslied singe. So wunderbar das klingt, wirkt es doch wenig glaubhaft, zumal sie die meisten Stücke geschrieben hat, bevor sie ihn traf.

Sie hält das Publikum auf Abstand

Im letzten Teil des Konzertes spielt Melua einige Songs ihres 2016 entstandenen Albums „In Winter“, für das sie sich mit einem georgischen Frauenchor zusammengetan hat. Die Stücke funktionieren aber auch ohne diese Unterstützung. Melua trägt sie nur von ihrer Akustikgitarre begleitet vor, was gut zu ihrem klaren Ausdruck passt. Völlig misslungen ist hingegen ihre Version von Janis Joplins „Cosmic Blues“. Melua bringt nicht einmal ein Zehntel der Beseeltheit oder des Weltschmerzes ihrer berühmten Kollegin auf.

Zum Glück kommt dann der Song, auf den alle gewartet haben. Der ruhige, perfektionistische Stil, in dem die Band „Closest Thing To Crazy“ darbietet, tut dem Stück gut. An die Stelle der sentimentalen Geigen sind ein satter Hammond-Orgel-Sound und das diskrete Hi-Hat-Spiel des Drummers getreten. Melua schlendert derweil gekonnt über die Melodie, deren Eingängigkeit man sich schwer entziehen kann. In den solo gespielten Zugaben „Diamonds Are Forever“ und „Cried For You“ kann man einen Eindruck der jungen Melua erhaschen, wie sie allein in ihrem Zimmer nach ihrem Stil und ihrem künstlerischen Selbst sucht.

Für den letzten Song kommt die Band zurück, um mit Melua eine pompöse, jazzige Adaption von Louis Armstrongs „What A Wonderful World“ zu spielen. Sie gelingt ihnen perfekt, aber so einfallslos und unpersönlich wie einer Hotel-Lobby-Combo. Statt dem Publikum näherzukommen, hält Melua es auf Abstand – wie den ganzen Abend. So gesehen ein gelungener Abschluss.

Nina Branner

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