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Wer verkennt wen? Eddie Mofokeng, Jerica Steklasa, Cecilia Gaetani und Johannes Grau.

© Uwe Hauth/Kammeroper Rheinsberg

Osterfestspiele Rheinsberg: Das Glück ist eine Insel

Erstmals Klassikfestspiele zu Ostern: Lisa Stumpfögger inszenierte Haydns Oper „L’isola disabitata“ in Rheinsberg.

Costanza ist dem Selbstmord nahe. Ihr Mann Gernando hat sich, so glaubt sie, vor dreizehn Jahren einfach aus dem Staub gemacht und vergnügt sich irgendwo in der Ferne. Und weil sich Costanza mehr tot als lebendig fühlt, entsteigt sie bei ihrem ersten Auftritt gewissermaßen ihrem eigenen Sarg. Jedenfalls hebt sie in Herbert Kapplmüllers pfiffig ausgestatteter Bühne ein Holzbrett in Form eines Sargdeckels hoch und kommt so vom Keller ins Erdgeschoss eines nach drei Seiten offenen Hauses.

In die Rückseite des Sargdeckels ritzt sie mit dem Schwert ihres einstigen Geliebten den Grund ihres geplanten Suizids ein: seinen Verrat. Lisa Stumpföggers Inszenierung von Haydns „L’isola disabitata“ (Die unbewohnte Insel) ist voll von solchen subtilen Anspielungen. Sie deuten den zeitlos mythischen Hintergrund dieses kleinen Psychodramas von 1779 an; das Libretto stammt von dem legendären Pietro Metatasio.

Das Stück fügt sich ideal in das Motto der erstmals veranstalteten Osterfestspiele Rheinsberg, mit denen der neue künstlerische Direktor der Kammeroper Schloss Rheinsberg, Georg Quander, seine erste Spielzeit eröffnet. „Der ferne Geliebte“ modifiziert reizvoll den Titel von Beethovens Lied „An die ferne Geliebte“. Wie unterschiedlich mit solchem Verlust umgegangen wird, zeigt sich nicht nur in Haydns Oper, sondern auch beim Schauspielabend mit Peter Hacks Monolog „Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe“ (noch einmal am 27. 4.) oder beim Osterbrunch mit Auszügen aus dem Briefwechsel von Friedrich dem Großen mit seiner Lieblingsschwester Wilhelmine von Bayreuth.

Constanza leidet, ihre Schwester genießt das Leben

Briefe schreiben können die vier Protagonisten bei Haydn nicht. In der Miniatur-Robinsonade hat es Costanza auf eine Insel verschlagen. Ihr Gatte Gernando konnte sie und ihre kleine Schwester Silvia nach einem Schiffbruch dorthin retten, verschwand dann aber spurlos, nachdem er von Piraten entführt worden war. Costanza leidet, aber ihre inzwischen zum Teenie herangewachsene Schwester genießt das Leben an dem offensichtlich paradiesischen Ort. Nach 13 Jahren kehrt Gernando mit seinem Freund Enrico zurück. Er findet die von Costanza in Stein gemeißelte Inschrift und möchte nichts als sterben. Enrico begegnet derweil der kessen Silvia, die beiden verlieben sich und erfahren, dass Costanza und Gernando doch noch leben. Verwirrungen klären sich, der vermeintliche Verräter wird rehabilitiert, einem Happy End steht nichts mehr im Wege.

Haydn unterhält sein Publikum mit einem kontrastreichen Wechselbad der Emotionen, von der Lebensmüdigkeit Costanzas und Gernandos bis zu den vergnüglichen adoleszenten Spielchen von Silvia und Enrico. Dabei entpuppt sich das neunzigminütige Stück eher als Melodram und Kammerspiel denn als Oper. Alle Szenen gehen nahtlos ineinander über, von den redundanten Da-capoArien der Opera seria will Haydn in seinem letzten Musiktheaterstück nichts mehr wissen.

Die Berliner Lautten Compagney transportiert die Verve der Musik

Die zahlreichen, ausschließlich vom Orchester begleiteten Rezitative leben vom Reichtum der musikalischen Mittel, mit denen Haydn die Seelenstürme seiner Protagonisten sinnlich erlebbar macht. Wolfgang Katschner transportiert am Pult der Berliner Lautten Compagney die Verve und die Farben der Musik, mit einigen Ungenauigkeiten im Zusammenspiel und bei der Intonation, wie man sie von dem renommierten Ensemble eigentlich nicht erwartet. Mit Cecilia Gaetani (Costanza), Jerica Steklasa (Silvia) und vor allem Eddie Mofokeng (Enrico) mit seinem herrlich kernigen, immer warmen und noblen Bariton versammelt die Aufführung exzellente junge Interpreten. Nur Tenor Johannes Grau (Gernando) scheint an diesem Abend ein wenig indisponiert.

Auf den schauspielerischen Esprit wirkt sich dies aber nicht aus. Lisa Stumpfögger inszeniert zudem Theater auf dem Theater. Ein großer, gerüstartiger, mobiler Quader fungiert als Hauptspielort: Das kleine barocke Kulissentheater wird ab und zu von zwei Bühnenarbeitern elegant an verschiedene Orte der Bühne geschoben. Vier Mitglieder der „Kinder Ballett Kompanie Berlin“ spielen und tanzen zuweilen Elemente der Handlung nach, verkleidet als Äffchen und Reh. Das sorgt für psychologische Verdeutlichung der Emotionen, vor allem bei den langen Rezitativpassagen, und für Abwechslung bei den Orchestervorspielen. Es geschieht jedoch niemals aufdringlich, sondern mit großer Liebe zu den Figuren. Und am Schluss, beim „lieto fine“, mutieren die Kinder zu kleinen Trommlern, die den Takt des freudigen Schlusschors mitschlagen.

Ende gut, alles gut, der Sargdeckel kann geschlossen werden. Mit der so behutsamen wie einfühlsamen Inszenierung von Lisa Stumpfögger und der leidenschaftlichen musikalischen Umsetzung gelingt Georg Quander ein vielversprechender Start in seine erste Rheinsberger Saison.

Noch einmal am 28. 4., 19 Uhr. Sinfoniekonzert mit der Lautten Compagney am 26. 4., 19 Uhr, ebenfalls im Schlosstheater. Weitere Informationen und Tickets: http://kammeroper-schloss-rheinsberg.de

Elisabeth Richter

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