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Peter Doherty (links) mit seiner neuen Band, den Puta Madres. Bekannt wurde der Sänger mit den Libertines.

© Thibault Leveque

Pete Doherty im Interview: „Ich bin ein Fantast“

Neustart mit den Puta Madres: Der britische Musiker Peter Doherty über seine neue Band, gesunde Küstenluft und seine Hunde.

Glückwunsch, Mister Doherty, Sie haben kürzlich Ihren 40. Geburtstag gefeiert. Vor einigen Jahren hätten nicht viele darauf gesetzt, dass Sie dieses Alter erreichen.

Den überwiegenden Teil meines Erwachsenenlebens habe ich selbst nicht mal erwartet, die nächsten fünf Minuten zu überstehen! Aber ich war nie selbstmordgefährdet. Ich wollte nie sterben! Da ist etwas in mir... eine Art Soldat. Er ist ganz anders als ich: Er ist nicht sensibel, er denkt nicht viel nach, aber er ist verdammt noch mal stark! Und verdammt noch mal mutig! Er legt sich nicht hin, er steht immer wieder auf.

Wann haben Sie den Soldaten in sich entdeckt?

Ich glaube, er war immer schon da. Aber er hat sich mir erst vorgestellt, als ich wegen Kokain-Besitzes ins Gefängnis kam. Er tauchte auf und suggerierte mir: Ich übernehme jetzt hier, halte dich raus und entspann dich einfach

Die Zeit in Hamburg, wo Sie 2014 Ihr Soloalbum „Hamburg Demonstrations“ aufnahmen, soll Sie gerettet haben.

Oh ja, der Soldat liebt Hamburg! Das war auch ungefähr die Zeit, zu der ich aufhörte, mir Zeug zu injizieren. Sonst wäre ich heute tot.

Seit zwei Jahren leben Sie schon im nordenglischen Küstenort Margate. Sind Sie dort allein unter Rentnern?

Nein, solch eine Stadt ist es nicht. Margate war mal ein Urlaubsort, zu dem die Leute aus London in Scharen mit dem Zug kamen. In den 80ern verwaiste es dann, es herrschte hohe Arbeitslosigkeit und viele Verbrechen passierten. Wenn du heutzutage im Zeugenschutzprogramm bist, Asylsuchender oder ein durchgeknallter Teenager, der aus der Schule raus muss, dann schicken sie dich nach Margate. Die Stadt London hat ganze Straßenzüge gekauft, um Familien, die sich keine Wohnung leisten können, dort unterzubringen – bis man sie vergessen hat.

Die Küstenluft scheint Ihnen auf jeden Fall gut zu tun.

Ich bin gesund, viel gesünder als in der Vergangenheit. Ausreichend Schlaf ist der Schlüssel. Denn mit zu wenig Schlaf fingen meine Probleme damals an. Außerdem habe ich zwei Hunde – Zeus und Narco. Die sind ein wichtiger Teil meiner Regeneration. Sie erfordern viel Zeit, also bin ich mit den beiden oft am Strand, das dunkle, wilde Meer ist unglaublich inspirierend! Und meine Hunde zeigen mir, was bedingungslose Liebe ist. Sie fehlen mir gerade sehr. Ich konnte sie im Van leider nicht mit über die Grenze nehmen.

Ihr Husky soll allerdings die Katze der Nachbarin gegessen haben.

Es gibt keinen Beweis dafür, dass die Katze nicht längst tot war, als mein Hund sie für ein paar Sekunden im Maul hatte! Vielleicht wurde sie vorher überfahren? Ich habe selbst zwei Katzen – warum wurden die dann nicht gegessen? Ich nahm mir trotzdem ein Herz, bin zur Nachbarin gegangen und habe mich entschuldigt. Ich wollte, dass sie sieht, wie freundlich meine Hunde sind. Ich bat sie aber auch, damit nicht zur Presse zu rennen. Und dann tat sie es doch und behauptete, ich hätte mich ja nicht mal entschuldigt. Und die Überschrift lautete: „Ich hoffe, er ist ein besserer Sänger als Hundebesitzer.“

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Nach den Libertines, den Babyshambles und zwei Soloalben veröffentlichen Sie nun unter dem Namen Peter Doherty & The Puta Madres ein Album. Wieso brauchen Sie immer wieder Neuanfänge?

Ich weiß es nicht. Ich mache eigentlich nie Pläne, weil die bei mir sowieso nicht funktionieren. Diese Band ist so was wie ein Auffangbecken verlorener Seelen. Miggles, der französische Bassist, den ich schon lange kenne, war bei der Band The Parisians, wurde danach aber obdach- und arbeitslos. Also lud ich ihn ein, mitzumachen. Auch mein Schlagzeuger Rafa ist eine problembehaftete Seele. Er lebte in Barcelona auf der Straße und spielte für die Touristen. Ich jammte mit ihm in der Fußgängerzone und schlug ihm dann vor, eine Band zu gründen. Wir helfen uns alle gegenseitig, indem wir zusammen etwas Wunderschönes kreieren. Ich brauche diese Art der Energie – auch wenn sie von einem Ort der Verzweiflung kommt.

Das klingt fast, als sei die Band ein Sozial-Projekt.

Es geht darum, die Entrechteten zu ermutigen; Leute, die aus der Spur geraten sind. Ich kann da nur für mich sprechen: Wenn es Musik nicht gäbe, wüsste ich nicht, wo ich heute wäre. Ich wäre definitiv durch das Netz gefallen, weil ich nicht funktioniere. Ich bin ein Fantast, ich lebe in Büchern, ich lebe in Songs. Die Gesellschaft kümmert sich nicht um einen wie mich. Ich muss mir also selbst etwas erschaffen. Es ist der einzige Weg, dass ich mich über Wasser halten kann. Und diese Leute sind meine Leute! Wir sind alle gleich. Wir halten fest aneinander, wir unterstützen uns und erobern die Welt. Deshalb klingt die Platte so erhebend.

Worin bestand für Sie die größte Herausforderung bei den Aufnahmen?

Es kostete mich viel Überwindung, diese ehrlichen Texte zu singen. Zumal es leichte Musik ist und die Worte sehr deutlich zu verstehen sind. Wenn ich beispielsweise in „Someone Else To Be“ zugebe, lieber jemand anderes sein zu wollen, fällt mir das echt schwer. Es reicht nicht aus, wenn ich mir sage, dass ich einen Charakter spiele, denn die Worte kommen alle aus meinem Herzen. Aber manchmal habe ich das Gefühl, ich muss einen Charakter spielen, um bei Verstand zu bleiben.

Die Platte handelt von Liebe und Verlust. Mit welchen Verlusten waren sie in letzter Zeit konfrontiert?

Vieles dreht sich um meinen Freund Alan Wass, der 2015 an einer Heroin-Überdosis starb. Der Song „Travelling Tinker“ ist direkt davon beeinflusst. Es war der Name der Band, die wir gründen wollten. Nie offiziell, aber es war unser Traum. Ich kann seinen Tod noch nicht wirklich akzeptieren. Denn wir hatten noch so viel vor. Ein anderer Verlust ist die Trennung von meiner Freundin Katia, die immer noch mit mir in der Band ist

Ist das ein Problem?

Das könnte zur Herausforderung werden, sie hat einen neuen Freund. Aber sie ist großartig für die Band. Sie hat auch einige der Songs mit mir geschrieben wie die Single „Who’s Been Having You Over“. Wir lebten zusammen – auch in Hamburg. Ich liebe sie so sehr. Und ich weiß, dass ich sie immer lieben werde. Immer.

Ist es schwierig für Sie, eine Beziehung zu führen?

Ich glaube, in meinem Herzen will ich alleine und frei sein. Je weniger Drogen ich nahm, desto bewusster wurde mir das. Es ist eine verzwickte Situation.

Peter Doherty & The Puta Madres erscheint bei Strap Originals/Cargo. Konzert: 19.5., 20 Uhr, Astra Kulturhaus

Katja Schwemmers

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