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Im „Honigmann“ haben Eltern Angst vor einer Bedrohung, die sich noch nicht wirklich manifestiert hat.

© freepik

Peter Huths Roman „Honigmann“: Jagdzeit im Internet

Der neue Roman des Journalisten und Schriftstellers Peter Huth handelt von der Macht des Gerüchts. Ein Pädokrimineller dringt ein in ein Vorstadtidyll. Und schon nimmt die Geschichte einen fatalen Lauf.

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Die Beklommenheit nimmt mit jeder Seite zu: Da ist der „Honigmann“. Verurteilter Pädo-Krimineller, neuerdings Inhaber eines hübschen Ladens für Honig, Kerzen, Duftöle und teure Kleidung - für Mädchen. Eingerichtet im wohlhabenden Örtchen Fischbach.

Ein Laden wie gemacht für die Vorstadt-Bewohnerinnen, tatsächlich geplant und eingerichtet als Falle. Er liegt gegenüber der Grundschule. Mütter und Kinder würden ihn zwangsläufig bemerken. Einfühlsam, wie der Honigmann sich gibt, würden Vertrauensverhältnisse entstehen, bei einer Tasse Kaffee für die Mütter. Das ist sein Plan. Kinder würden dann auch mal allein vorbeikommen.

Der mit seiner Familie in Berlin lebende Peter Huth, Autor mehrerer Sachbücher und des autobiografischen Berichts „Infarkt“, ist heute Kommunikationschef des Axel Springer Verlags. Er legt seinen Roman an wie einen Krimi – man ahnt, dass bald ein Kind dem offenkundigen Wiederholungstäter in die Falle gehen würde.

In Suburbia

Doch die kriminelle Vergangenheit des Honigmanns, die den Müttern und Vätern zufällig bekannt wird, ist kein Krimi-Zweck zur Leser-Stimulation. Seine harmlos und gefährlich zugleich erscheinende Existenz in Suburbia ist die Folie für eine Geschichte über die Wirksamkeit von Gerüchten und Verdächtigungen, verbreitet und multipliziert in den sogenannten sozialen Netzwerken.

Peter Huths Suburbia mit den jungen Eltern, froh über Haus und Garten, lässt an Orte wie Kleinmachnow mit seinen Eigenheim-Siedlungen denken, gelegen an der südlichen Berliner Stadtgrenze.

Auf den ersten Seiten des Romans schafft Huth mit ein paar Bemerkungen seines Erzählers einen Ort wie aus der Bausparer-Werbung. „Selbst unsere Paketboten sind freundlich und geben die Sachen, wenn niemand da ist, bei den Nachbarn ab, statt sie in irgendeinem Handy-Laden abzuwerfen, in dem die Besitzer Shishas rauchen und kein Deutsch sprechen“, schreibt der Erzähler Tim, Familienmensch mit coolem Job im Homeoffice, Gatte der Schauspielerin Fine, Vater einer Tochter im Kita-Alter.

Drei Familien im Zentrum

Und resümiert: „Wir waren alle so trunken vor Glück, hier zu sein, in Fischbach, dass wir überhaupt gar nicht auf die Idee kamen, dass diese Idylle von irgendwas bedroht werden könnte. Und als es so weit war, wollten wir es nicht wahrhaben.“

Wie das so ist mit einer Idylle: Wenn sie sich perfekt anfühlt, ist sie in größter Gefahr. Peter Huth schafft dieses Gefühl beim Leser nicht, indem er der Pirsch des Honigmanns folgt. Die Gefahr entsteht durch den Umgang der Vorstadteltern mit dem, was womöglich passieren könnte.

Autor Peter Huth

© Droemer/privat

Drei Familien stehen im Zentrum des Romans, analog und digital miteinander verbunden. Man grillt, trinkt Prosecco und flaschenweise Wein. Männer treffen sich zum Bier in der Küche, die Frauen bringen die Kinder zum Spielen zusammen. Kleine Rivalitäten, stille Konkurrenzen gehören dazu.

Eines der Kinder wird stiller, nimmt sich zurück. Es ist regelmäßig beim Honigmann. Der Vater schöpft Verdacht. Ein schlichter Zufall hatte eine der Mütter zu einer kleinen Recherche über den Honigmann veranlasst – mit verheerenden Folgen. Für Eltern, die sich nun Sorgen um ihre Kinder machten. Für die Lehrer der Schule seinem Laden gegenüber. Für die drei Familien im Zentrum des Geschehens.

Die Antriebskraft zur Zerstörung des Idylls entsteht in jenem Kommunikations-Kanal mit dem grünen Logo. Eine der Frauen, Fine, wird aktiv – „man muss doch was machen“ – auch wenn gar nicht klar ist, ob der Honigmann dem Kind zu nahegekommen ist. Über die sozialen Medien will Fine Druck erzeugen, den Honigmann zum Verschwinden bewegen. Der Druck baut sich auf. Entlädt sich. Doch die Druckwelle nimmt eine ungeahnte Richtung. In Fischbach ist nichts mehr, wie es war. Idyll war gestern.

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