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Berlinale: Pop beats Film

Schwer verdauliche Filme, trübe Stimmung: Die Berlinale holpert zur Halbzeit etwas daher mit Themen, die zwar wichtig sind, aber nicht gleich einen guten Film ausmachen. Ach, ächz, Berlinale: eine Halbzeitbilanz

Am Wetter kann es nicht liegen: Halbzeit auf der Berlinale, und die Stimmung ist, zwar mit Aufheiterungen, bedrohlich trübe. Der splendide Stones-Auftakt wirkt, im unbarmherzigen Lichte des Festival-Kurzzeitgedächtnisses, bereits fast schal – war sein Glanz doch eindeutig von der Konkurrenz geliehen: Pop beats Film. Gleiches gilt für den Nachschlag mit Patti Smith und Neil Young: Aber ja, die Berlinale rockt. Nur liegt uns das Fest der bewegten Bilder damit seit Anbeginn bloß in den Ohren, und das könnte sich noch als arges Missverständnis herausstellen.

Im Wettbewerb regiert – großzügig formuliert – überwiegend Durchschnitt, abgesehen vom Kraft(meier-)paket „There Will Be Blood“. Wieder einmal hat das Auswahlkomitee honorig auf Themen gesetzt, allerdings nicht immer mit dem notwendig strengen Blick für ästhetische und erzählerischer Qualität. Letztes Jahr ging das so mit der großen Politik, diesmal im Persönlichen und Familiären. Chinesische Ein-Kind-Ehe wie in „Zuo You“, Kindesmissbrauch wie in „Gardens of the Night“: alles gesellschaftlich wichtig. Nur schadet man der Aufmerksamkeit selbst für das wichtigste Thema, wenn es im puren Anliegenfilm daherkommt.

Auch die große Kindesentführungsstory, Erick Zoncas „Julia“, ist gründlich danebengegangen – ein schwer verdaulicher Genre-Mix wie „Musta jää“, der spätberufene finnische Beitrag zu den Malaisen mittelständischen Ehebruchs. Hier sind, sieht man nur auf die Festival-Fachbibeln „Variety“, „Screen“ und „Hollywood Reporter“, zwei internationale Filmkarrieren wohl vom Start weg beendet. Und sonst? Auf Spielfilmlänge gebrachte Kurzfilmideen: der mexikanische „Lake Tahoe“, der eine hübsche Story mit ausgedehnten Schwarzblenden auf Strecke brachte, das iranische Feelgood-Kindermovie „Gesang der Spatzen“ und die nahezu ereignisfreie neueste Johnnie-To-Fingerübung („Spatz“). Irgendwie Spatzenkino, das alles.

Andererseits: Immerhin der Promi-Faktor stimmt, mit Swinton und Cruz, Scorsese und Day-Lewis und Kingsley, und er bleibt absehbar hoch bis zum Ende. Aber erinnert das nicht heftig an die Dauerkrise unter dem späten Moritz de Hadeln – ordentlich Stars, nur die Filme, die taugen wenig? Dennoch: Auch der übermüdetste Filmfestsüchtige bleibt unermüdlich gespannt, wie Trainer Kosslick seinen Laden für die zweite Halbzeit aufgestellt haben mag. Und die sechsköpfige Schrumpfjury auf der Tribüne gewisslich ebenso. Nein, reden wir heute ausdrücklich nicht von Cannes, wo selbst die Jurys immer schwindelerregend klug und schön besetzt sind. Und prominent sowieso: Letztes Jahr leistete man sich dort als Exoten keinen Popstar, sondern mit Orhan Pamuk mal eben einen frischgebackenen Literaturnobelpreisträger.

Ach, ächz, Wettbewerb: Oder ist es das Wetter? Ein bisschen Schnee jetzt, und alles wird gut. Jan Schulz-Ojala

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