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Den Blues hat er nie verloren: Van Morrison, hier im Juni 2025 bei den Noches del Botánico in Madrid.

© IMAGO/Europa Press/IMAGO/Ricardo Rubio

Der große Rockmusiker Van Morrison wird 80: So glücklich war der ewige Miesepeter noch nie

Van Morrison hat Blues, Folk und Soul revolutioniert. Auf seinem aktuellen Album „Remembering Today“ findet er zu alter Größe. Eine Würdigung zu seinem 80. Geburtstag.

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Das Album „Remembering Now“, herausgekommen im Juni, gehört zu den besten Platten, die Van Morrison in den letzten Jahrzehnten veröffentlicht hat. Nicht nur, weil der Sänger so wundervoll grummelt, säuselt und scattet wie lange nicht, begleitet von Streichern, Hammondorgel und Gospelchor. Sondern auch, weil die 14 Songs halten, was der Titel verspricht. Van Morrison, der am Sonntag 80 Jahre alt wird, zieht seine Lebensbilanz.

Das beginnt schon mit dem Einstiegssong „Down to Joy“. Da singt Van Morrison vom Glück des Älterwerdens, das darin besteht, runterzukommen und langsamer zu werden.

Manchmal verrutscht seine Stimme, doch wenn er seufzt „Coming down“, antworten ihm die Backgroundsängerinnen sanft „Down to joy“. Schöner sind die Freuden des Daseins selten beschworen worden.

Dass Musiker in einer langen Traditionslinie stehen, oft mit Stücken anzufangen, die sie von Vorbildern übernehmen und dann beginnen, selbst Stücke zu schreiben, ist ein Gemeinplatz. „If It Wasn’t for Ray“ heißt der Song, mit dem sich Van Morrison bei seinem Idol Ray Charles dafür bedankt, dass er selbst ein Star geworden ist.

Er zitiert Charles‘ frühen Hit „What I’d Say“ und preist den afroamerikanischen Sänger, der nicht den Soul erfunden, sondern auch Blues, Rock’n’roll und Country & Western erneuert habe. Und seine Musik wachse immer noch.

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Van Morrison hat mit Ray Charles das Duett „Crazy Love“ aufgenommen, er hat auch mit John Lee Hooker, B.B. King, Etta James und Solomon Burke gearbeitet, eine beachtliche Liste von Blues- und Soulgrößen, die inzwischen allesamt tot sind.  

Nun erinnert sich Van Morrison in der Ballade „Colourblind“ an seine Jugend, in der Schwarzweißfilme liefen, bevor sie von Technicolor-Damen abgelöst wurden. Als er in der Sonne saß und auf einen Sonnenbrand wartete, merkte er, dass seine Haut sprichwörtlich „a whiter shade of pale“ war, fahler als fahl.

Diese Erkenntnis kann man auch politisch verstehen, als Verbeugung eines alten weißen Mannes vor seinen schwarzen Helden, die in den Zeiten der Rassentrennung aufwuchsen, diskriminiert und ausgebeutet wurden. Trotzdem habe der Blues ihn nie verlassen.

Lebenslänglich Lampenfieber

Van Morrison gehört zu den großen Miesepetern des Rock ’n’ Roll. Van the Man – so nennt er sich, seitdem er als Jugendlicher seinen Vornamen George Ivan abkürzte – gilt als „Mann, der niemals lacht“. Tatsächlich wirkt er bei Konzerten eigentlich immer angespannt, wortkarg und unfreundlich.

Das mag am Lampenfieber liegen, ist aber auch Teil seiner Persönlichkeit. „Ich bin nicht auf der Bühne, um Grimassen zu schneiden“, hat er in einem seiner raren Interviews gesagt. „Es geht um die Musik, nicht um den Clown“.

Morrison kam am 31. August 1945 in Belfast zur Welt. In seiner Jugend wurde die Hauptstadt Nordirlands von bürgerkriegsartigen Unruhen zwischen Protestanten und Katholiken erschüttert. Er stammt aus einer protestantischen Familie. Allerdings sahen sich seine Eltern als Freidenker und Atheisten.

In Belfast begann alles: Van Morrison (vorne) 1964 mit seiner Band Them.

© Michael Ochs Archives

An dem Blues, den er durch die Plattensammlung seines Vaters kennenlernte, schätzte er „die Rohheit“. „Ich kam aus der Arbeiterklasse und fühlte mich dem verbunden, worüber sie sangen“, erzählte er später. „Ich habe nicht versucht, ihren Sound zu imitieren, aber die Texte der Bluessänger passten haargenau in die Welt, in der ich lebte“.

Zur Politik hat sich Van Morrison nur selten geäußert. Seine Haltung kann man aber in Songs wie „Give Me Peace of Mind“, „The Healing Game“ oder „The Visionary“ finden, in denen er für Ausgleich, Toleranz und Frieden plädiert. Musik sieht er als Mittel zur Heilung und zur Überwindung von Kriegen. Sie sei „die einzige Sprache“, die alle Menschen verstehen könnten, unabhängig von ihren religiösen oder politischen Ansichten.

Härter als die Beatles

Die Rhythm-and-Blues-Band Them, die Morrison 1964 gründete, wirkte wie eine härtere, ungewaschene Alternative zu den Beatles. Diese irischen Straßenkids träumten vom Mississippi-Delta. Sie hatten ein paar Hits, „Here Comes the Night“, „Baby Please Don’t Go“, „Gloria“, das später Patti Smith singen sollte, und die herzzerreißende Trennungs-Ballade „It’s All Over Now, Baby Blue“, die von Bob Dylan stammte.

„Das bedeutete gar nichts“, schimpfte Morrison später. „Um respektiert zu werden, hätten wir mindestens zehn Hits haben müssen. In der Popwelt ging es damals bloß ums Image. Sie zwangen dich, bestimmte Klamotten zu tragen, und alle paar Tage ließ unsere Plattenfirma Decca Fotos von uns machen. Wie viele Fotos braucht man wirklich?“ Mit den Bossen der Musikindustrie hat er sich immer wieder angelegt, er fühlte sich unterbezahlt und falsch promotet.

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Trotzdem hat Van Morrison immer weitergemacht, auch nachdem er sich von Them getrennt hatte. 1967 veröffentlichte er beim Indielabel Bang sein herrlich poppiges und fröhliches Solodebütalbum „Blowin’ Your Mind!“, das fingerschnipsend lässige Songs wie „Brown Eyed Girl“ und „T.B. Sheets“ enthält. 1968 nahm er innerhalb von drei Tagen die bahnbrechende Platte „Astral Weeks“ auf, die Jazz, Folk und Rock fusionierte. 

Es folgten herausragende Werke wie „Moondance“, „Tupelo Honey“ oder „Into The Music“, in denen er sich mehr in die Geheimnisse von Mystik, Spiritualität und Natur vertieft. Die Texte wirken mitunter esoterisch, aber die Musik ist in ihrer psychedelischen Versponnenheit einzigartig.

Der beeindruckendste Song auf „Remembering Now“ ist das Titelstück. Eine Spoken-Word-Performance, begleitet von Bläsern, Streichern und einem Honkytonk-Piano. Van Morrison kehrt noch einmal dahin zurück, wo alles begann, ins Belfast seiner Kindheit.

„Back here on the street / Back in Belfast, strumming this guitar / It took me very far“, singt er. Mit seiner Gitarre und seiner Stimme hat er es verdammt weit gebracht. So zufrieden klang er vielleicht noch nie. Herzlichen Glückwunsch!

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