zum Hauptinhalt
Gretchen Peters.

© Promo

Gretchen Peters im Chrystal: Falsche Hymne für Sarah Palin

Vor 24 Jahren kam Gretchen Peters nach Nashville und bewährte sich seitdem als Songwriterin Deluxe. Nun trat die exquisite Sängerin erstmals in Berlin auf.

Intim, fast privat ist die Atmosphäre im winzigen Crystal neben dem C-Club am Columbiadamm. Überschaubar sitzen die Besucher auf ein paar weißen Sitzquadern, Bänken und auf dem Fußboden direkt vor der Bühne. "Hello! How are you?" Dort oben und mittendrin steht Gretchen Peters, attraktiv und blond, singt vom Leben als "Circus Girl", wie es ist unter der Kuppel im Scheinwerferlicht, gefährlich und aufregend. Doch nicht so glamourös wie mancher denkt. Dazu schlägt sie einfache schöne, kräftige Akkorde in ihre große Gibson-Akustikgitarre, die so blendend zu ihr passt: Kräftige Form, voller Klang, melodisch und perkussiv. Auch der Name des Gitarrenmodells korrespondiert perfekt mit Gretchen Peters: "Songwriter DeLuxe".

Vor 24 Jahren kam Gretchen Peters nach Nashville und bewährte sich seitdem als Songwriterin Deluxe. Sie schrieb eine Menge feiner introspektiver Songs, unter anderem für George Jones, Trisha Yearwood, George Strait, Randy Travis, Patty Loveless, Martina McBride, Bonnie Raitt, Bryan Adams und die Neville Brothers.

Dass Peters selber eine exquisite Sängerin ist, mit einer berührenden Stimme, die zu gleichen Teilen Erinnerungen weckt an Emmylou Harris und Dolly Parton, offenbarte sich allerdings erst 1996 mit der Veröffentlichung ihres ersten eigenen Albums "The Secret Of Life", von dem auch der Song "Circus Girl" stammt.

Von da aus entfaltet sich ein zauberhafter Abend, bewegt sich die Setlist durch die Jahre, eine fabelhafte Auswahl aus fünf Alben, die Songs, die Storys, bis in die Gegenwart. Geschichten über "Germantown", ein historisches Viertel von Nashville, das im 19. Jahrhundert überwiegend von Deutschen Einwanderern besiedelt wurde. Weitere Song-Storys über Männer an der Bar und ihre rührend einfach gestrickten Lebensphilosophien ("The Secret Of Life"), beschauliche Stille und Langsamkeit eines "Sunday Morning", die poetisch traurige Bestandsaufnahme einer gescheiterten Ehe, die sich ganz unaufgeregt und unsentimental offenbart während eines Frühstücks ("Breakfast At Our House").

Aber da ist auch ein Bekenntnis zur reinen, bedingungslosen Liebe: "The Way You Move Me" hat Gretchen Peters für Barry Walsh geschrieben, ihren langjährigen musikalischen und privaten Wegbegleiter, den sie im letzten Oktober geheiratet hat. Als beobachtender Zuhörer fragt man sich, wie es sich wohl anfühlen mag für Walsh, wenn man derart besungen als einziger Mitmusiker auf der Bühne dazu das begleitende Piano spielt und den Harmoniegesang beisteuert: you left your fingerprints all over me / and now you're everywhere I am / if I cried a thousand tears/ if I lived a thousand years / I could never find a way to make you see / I'll never understand the way you move me…"

Walsh ergänzt die Songs geschmackvoll, spielt ein ruhiges, manchmal bewegtes, bewegendes Piano, von Barjazz bis zu Bebop-Anklängen, doch immer unaufdringlich, zurückhaltend, im Wechsel mit Tex-Mex-Akkordeon-Tupfern und beiläufigen Glockenspielereien.

Und dann ist da noch die lustige Geschichte über den gar nicht lustigen, doch nicht minder brillanten Song "Independance Day" - in der Version von Martina McBride vielfach ausgezeichnet und 1995 für einen Grammy nominiert, bislang Gretchen Peters erfolgreichster Hit. Belustigt erzählt sie, dass diesen Song Sarah Palin als Hymne im Wahlkampf für ihre Kandidatur zur amerikanischen Vizepräsidentin benutzt hatte. Ohne zu begreifen, dass "Independance Day" kein hurra-patriotisches Kampflied ist, sondern dass es hier um eine mutige Frau geht, die sich von ihrem gewalttätigen Ehemann befreit. Ausgerechnet. Gelächter im Publikum.

Gretchen Peters singt beseelte Versionen von Bob Dylans "Billy" und Townes Van Zandts "Snowing On Raton". Und sie freut sich sichtlich darüber, wie sehr sie gefeiert wird nach anderthalb Stunden bester Songwriterkunst. Es war ihr erster Auftritt in Berlin, ihr zweiter in Deutschland. Sie werde bestimmt wiederkommen. Großer Jubel.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false