Konzertvorschau: Meine Jüte, jut!
Jochen Kowalski singt am Sonnabend im Rathaus Köpenick Die Atmosphäre dort? „Einmalig!“, sagt er. „Da gibt’s keine steifen Klassikfans“.
Jochen Kowalski, der Gesangsstar mit der hohen Stimme (Countertenor mag er nicht so, eher „Altus“ als Bezeichnung für den Sänger mit einer Alt-Stimme) bereichert auf seine Weise das nun schon 14. Köpenicker Blues & Jazzfestival: Am kommenden Sonnabend singt und swingt er mit dem Capital Dance Orchestra.
Da der Opernstar, der normalerweise mit den Alt-Partien des Barock brilliert, schon zum wiederholten Mal in Köpenicker Jazzgefilden musikalisch fremdgeht, gerät er sogleich ins Schwärmen: „Die Atmosphäre ist einmalig! Mir fallen dazu nur Superlative ein: Die Leute sind glücklich, hier trifft sich das Gegenteil von einem steifen Publikum. Auch die Klassikfans, die meinetwegen kommen, sind total relaxed. Es ist so eine Hier-können-Familien-Kaffee-kochen-Stimmung, wunderbar. Schon nach dem ersten Titel merkt man: da ist ein Geben und Nehmen, hier bist du richtig“.
Im Programm sind ein paar amerikanische Titel versteckt, zum Beispiel das alte „Singing in the rain“, und dann kommt deutscher, amerikanischer und russischer Swing dazu, „im Zweiten Weltkrieg fand nämlich auch ein reger musikalischer Austausch statt“. Der Emigrant Eddi Rosner baute eine belorussische Band auf, wenn Jochen Kowalski dort ist, bringt er sich Noten und alte Schallplatten mit, es gibt immer wieder Überraschungen. Und was das Fremdgehen betrifft, hält sich der Tenor daran, was der Herzog in „Rigoletto“ schmettert: Nur der Wechsel verschönert das Leben. Abwechslungsreich ist auch die aktuelle Planung, die der Kammersänger mit seiner Lehrerin Jutta Vulpius realisiert. Nach einer aufwendigen Herzoperation mit neuen Herzklappen und Bypässen „mache ich nur noch das, wozu ich Lust habe“. Zum Beispiel Schuberts „Winterreise“.
Apropos Berlin: Hier ist der Schlachtersohn aus dem brandenburgischen Wachow groß geworden, wurde zum Star Harry Kupfers an der „Komischen Oper“ und sagt jetzt, dass ihn „als normaler Bürger“ die vielen Baustellen nerven, weil sich dabei auch eine große Inkompetenz der Behörden zeigt. „Und was soll der ewige Streit um die drei Opernhäuser? Das ist doch affig! Die gab es immer und wird es immer geben.“
Mit der Deutschen Oper verbindet der Sänger eine Episode: Vier Tage vor dem Mauerfall gab er dort einen Liederabend, „wie die mich da gefeiert haben, das ging mir wie ein Elektroschock in die Glieder“. Den Mann aus dem Osten haben sie als Berliner immer mit offenen Armen empfangen, und nach dem 9. November war die Euphorie groß, dass das steinerne Monster endlich weg ist und die West-Berliner wieder in die Komische Oper geströmt kamen. Enttäuschungen blieben nicht aus, „so eine Revolution wird jeder von uns wohl nur einmal erleben. Nicht alles ist hundertprozentig geglückt, man hätte viel mehr auf die aus dem Osten hören sollen.“ Aber der Aufschwung der letzten 20 Jahre sei einmalig, „das soll uns mal einer nachmachen. Und das Meckern dabei ist doch nur eine Liebeserklärung. Der Berliner, also ick, meckert immer. Aber ich möchte nirgendwo anders leben als in dieser Stadt, wo einer, den Kowalski nicht kennt, mir im KaDeWe auf die Schulter haut und sagt: Hallo, Jochen, wie jehts dir? Wann singste’n mal wieder? Meine Jüte, was will man mehr?“ Lothar Heinke
Sonnabend, 22. August, Im Rathaushof, Alt-Köpenick 21, 19.30 Uhr, 35 Euro.