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Mitch Ryder: Schotterige Stimme, schöne Stücke.
© promo

Konzertkritik: Mitch Ryder & Engerling im Frannz

Mit schotteriger Stimme singt Mitch Ryder neue Songs und jede Menge zeitlos schöner Stücke aus den letzten Jahrzehnten. Mit der Berliner Band Engerling entsteht ein feines, kongeniales Zusammenspiel.

Alles ist schwarz an Mitch Ryder: Brille, Hut, Hemd, Hose. Und die Stimme: Tiefer schwarzer Blues. "Ain't nobody white can sing the Blues" singt er im proppenvollen Frannz und zeigt eindrucksvoll, dass er es wirklich kann, immer noch kann, trotz schwerer Erkältung: Den Blues singen als Weißer, mit anrührendem Ausdruck, tiefer Seele.

Mitch Ryders Soul ist inspiriert von Little Richard und James Brown, von der schwarzen Musik der 60er-Jahre aus dem amerikanischen Süden und von Tamla Motown aus Detroit, seiner Heimatstadt im Norden, wo er den Stil schwarzer Musiker schon während seiner Kindheit und Jugend zu lieben lernte.

Nichts ist falsch am 66-jährigen Ryder, keine albernen Posen. Unaufgeregt steht er da, mit verhaltenen Hand- und Körperbewegungen schüttelt er lässig den Schellenkranz und tut nur das, worauf es wirklich ankommt: Singen und Kommunizieren. Vom Leben erzählen, Gefühle ausdrücken und weitergeben an die verzückten Fans.

Das ist echter Rhythm & Blues, schmutzig, wahrhaftig und schön - nicht diese seelenlose, roboterhafte Künstlichkeit, die jüngeren Leuten heute so schamlos als "R&B" angedreht wird.

In den 60ern war Mitch Ryder mit seiner Band Detroit Wheels ein großer Star in den USA, für einige Jahre, dann das Übliche: Ärger mit Management und Plattenfirma - Desillusionierung und Rückzug.

Doch weil es ein leidenschaftlicher Sänger vielleicht nicht aushält ohne Bühne, ohne Publikum, ohne Singen, ohne Kommunikation, kehrte Ryder nach etwa zehn Jahren Pause Ende der 70er zurück auf die Bühne, nahm wieder Platten auf und gewann damit eine Menge neuer Fans, vor allem in Deutschland, wo er seitdem regelmäßig neue Alben veröffentlicht und auf Tour geht.

Seit Jahren wird er dabei begleitet von der legendären Berliner Band Engerling – "Inga Ling" sagt Ryder – ein feines, kongeniales Zusammenspiel. Die Band um den Organisten Boddi Bodag funkt, rifft und rockt mit kräftiger Rhythmustruppe und vorwärts schiebenden Gitarren, mit und ohne Bottlenck, verzerrt sumpfend, lickend, kickend, Ryders Rücken stärkend. Mit Anklängen an die frühen Allman Brothers, Unisono-Zwillings-Gitarren, und einem Nicken zu den Rolling Stones und zu Jimi Hendrix, dessen Version von "All Along The Watchtower" und "The Wind Cries Mary", von Ryder exquisit gesungen, fast notengetreu nachgespielt wird vom Gitarristen Pitty Piatkowski.

Mit schotteriger Stimme singt Ryder neue Songs vom jüngsten Album und jede Menge zeitlos schöner Stücke aus seinem umfangreichen Repertoire der letzten Jahrzehnte. Dazwischen erzählt er amüsiert von seinem früheren Leben als "Rockstar". Wie ihn Hendrix in einem New Yorker Club gefragt hatte, ob er in dessen Band singen wolle. Und wie Keith Richards und Brian Jones ihn damals im Studio besucht hätten, um ihm zu prophezeien, dass der Song, den er 1966 gerade mit "The Detroit Wheels" aufnahm, mit Sicherheit ein Hit werden würde. Was sich dann auch bewahrheitete. Heute singt er "Jenny Take A Ride" als Zugabe eines berauschenden zweistündigen Konzertes. Mitch Ryder ist kein Oldie-Nostalgiker, sondern ein brillanter R&B-Sänger der Gegenwart.

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