Kultur: Probe, Muster, Stichprobe
Wer, frei nach Friedrich Schiller, hinaus will ins Profi-Leben, hat es nicht leicht. Schon gar nicht in der Ära der Hausfrauen-Renaissance: Ein Los, das die Akademikerin mit der Tischlerin und der Hotelfachfrau genauso teilt wie mit der JungAktrice.
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Wer, frei nach Friedrich Schiller, hinaus will ins Profi-Leben, hat es nicht leicht. Schon gar nicht in der Ära der Hausfrauen-Renaissance: Ein Los, das die Akademikerin mit der Tischlerin und der Hotelfachfrau genauso teilt wie mit der JungAktrice. Letztere hat allerdings den entscheidenden Vorteil, dass die Dramatikerin Theresia Walser ein großartiges Stück über sie geschrieben hat. Nämlich eines, in dem sich die Jung-Aktrice – clevere Arbeitsbeschaffungsmaßnahme – praktischerweise gleich selber spielen kann. Es heißt Das Restpaar und war schon bei seiner Stuttgarter Uraufführung vor zehn Jahren ein sprachwitziger Hochgenuss. Zwei Schauspielschulabsolventinnen, die sich auf ihrer Vorsprechtour durch die Provinz lauter qualifizierte Intendanten-Statements abholen à la „So gesund ist meine Fantasie gar nicht, dass du darin vorkommst“, dürfen aber als zeitlos gelten. Verständlich also, dass die Theaterkapelle in Friedrichshain (Boxhagener Straße 99) das Stück nun wieder ausgegraben hat (23./24.3 und 30./31.3., 20 Uhr).
Das morbid seiner Abwicklung entgegentrudelnde Theater, an dem die Absolventinnen letztlich stranden, erweist sich übrigens als kreatives Sammelbecken auch für traditionell eher kunstferne Berufsgruppen: Ein arbeitsloser Chemiker feiert dort seine besten Karrierejahre beispielsweise als Bühnenmaler ab: Jeder ist ein Künstler – diese erfreuliche Botschaft spinnt das HAU 2 zum Abschluss des Festivals „France en Scène“ in Kreuzberg konsequent weiter: Philippe Quesne versetzt in seiner bedeutungsreichen Produktion Échantillon (31.3., 21 Uhr) – zu Deutsch so viel wie Probe, Muster, Stichprobe oder auch repräsentative Auswahl – die Zuschauer in die Regieposition. Das Publikum wird unzähligen Spielanweisungen, Notizen und Situationen ausgesetzt und hat per Computermaus die handlungstragende Auswahl zu treffen. So kann es hinterher auch keinen anderen für etwaige dramaturgische Mängel verantwortlich machen als sich selbst.
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