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Pandemiebedingt. René Jacobs musste eine Dreiviertelstunde kürzen.

© imago/SKATA

René Jacobs in der Philharmonie: Licht im Kerker

Der „Ur-Fidelio“ in der Philharmonie: René Jacobs und das Freiburger Barockorchester.

Wenn René Jacobs für ein Werk begeistern will, dann versichert er sich starker Argumente. Im Beethoven-Jubeljahr hat sich der Dirigent „Fidelio“ vorgenommen und ein Plädoyer für die erste Fassung der Oper gehalten. 1805 kam sie unter dem Titel „Leonore“ in Wien heraus und drohte in einer Falte der Zeitgeschichte zu verschwinden.

Weil französische Truppen in die Stadt eingerückt waren, blieb ein Großteil des Publikums der Premiere fern. Beethoven begann, sein einziges vollendetes Opernprojekt umzuarbeiten, bis er knapp zehn Jahre später die Endfassung von „Fidelio“ präsentierte. Für Jacobs aber ist der erste Wurf der weitaus originellere, seine Einspielung wurde 2019 zur Opern-CD des Jahres gewählt.

Bei der Live-Aufführung seiner Beethoven-Recherche stellen sich dem Dirigenten in der Philharmonie nun Hindernisse fern der Musik in den Weg: Er muss pandemiebedingt rund eine Dreiviertelstunde Spieldauer einkürzen und ganz auf den Chor verzichten.

Was muss das für ein Zähneknirschen sein, wenn gestrichen werden muss in einer Werkgestalt, die ja als die aufregendere präsentiert werden will. Doch Jacobs ist nicht nur Forscher, er ist auch Theatermusiker durch und durch, der seine Chance vor Publikum stets zu nutzen weiß. Zumal, wenn er sich dabei auf die Klangkunst der ihm wohlvertrauten Musikerinnen und Musiker des Freiburger Barockorchesters verlassen kann.

Natürlich wählt Jacobs die 2. Leonoren-Ouvertüre als Eröffnung, in der der Esprit einer symphonischen Dichtung über Gedanken an strenge Formerfüllung triumphiert. Es ist faszinierend zu hören, wie viel Licht die Freiburger in das Dunkel dieses Kerkerdramas bringen, wie ihr transparenter und dennoch warmer Klang durch Gitterstäbe und Mauern dringt.

Mit den weiten Distanzen zwischen den Pulten kommt dieses Orchester erstaunlich gut zurecht. Jacobs betont Beethovens Nähe zum Singspiel, setzt auf einen leichteren Tonfall auch bei den Sprechtexten und der Auswahl seiner Solisten.

Sein Gespür für Stimmungen und Stimmen sorgt für ein überaus geschlossenes Ensemble, das in jedem der drei Akte wie von selbst seinen Mittelpunkt findet: erst Robin Johannsens Marzelline, dann Brigitte Christensens Leonore und schließlich Joshua Ellicotts Florestan. Ein hohes Lob der Freiheit.

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