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2Jazz-Sopranistin Dianne Reeves mit der 22-köpfigen Big Band des National Youth Orchestra.

© Todd Rosenberg

Jazz bei Young Euro Classic: Rock das Konzerthaus

Die Bigband des National Youth Orchestra debütiert bei Young Euro Classic in Begleitung der Jazz-Sängerin Dianne Reeves.

Die Diva lässt lange auf sich warten. Es ist schon fast 22 Uhr, als Dianne Reeves die Bühne des Konzerthauses betritt. Und sie singt dann auch nur wenige Songs, aber natürlich großartig, mit diesem lebensbejahenden Timbre, das die Zuhörer sofort akustisch umarmt. „If I were a bell“, „Windmills of your mind“, „Smile“ – auf allen stilistischen Ebenen ist sie eine Autorität, diese Koloratursopranistin des Jazz, die immer noch mit stupender Leichtigkeit durch die Oktaven segelt. Sie scattet, nimmt sich Freiheiten in der Melodieführung, legt Licht und Schatten über die Verse und hält dann eine pathetische Ansprache an ihre Mitspieler vom NYO Jazz.

Um die geht es nämlich eigentlich an diesem ungewöhnlichen Abend: Zum ersten Mal ist eine Bigband zu Gast bei Young Euro Classic, zudem eine frisch gegründete. Am 27. Juli hat der Jazz-Ableger des National Youth Orchestra unter der Leitung des Trompeters Sean Jones sein Debüt gegeben, in der New Yorker Carnegie Hall. 16 bis 19 Jahre jung sind die Mitglieder, eine bunte Truppe, die aus allen Teilen des Landes zusammengekommen ist und auch optisch die Diversity der Vereinigten Staaten widerspiegelt. „Schon jetzt seid ihr alle als Künstler einmalig“, ruft Dianne Reeves den vier Musikerinnen und 18 Musikern zu, „bleibt so, wie ihr seid, wachset und gedeiht!“

Jazz ist trotz Trumps Handelskrieg ein Exportschlager

Ans lateinische Wappenmotto der USA hatte zu Beginn Willi Steul erinnert, der frühere Deutschlandradio-Intendant und Pate des Abends: „E pluribus unum“ – aus vielen eins. Musikalischer Ausdruck dieser Geisteshaltung ist der Jazz, ein Exportschlager, der sich auch in Zeiten von Trumps Handelskriegen ungehindert weiter in der Welt verbreitet. Zum Beispiel mit dieser Europatournee des NYO Jazz, die am Freitag in Berlin zu Ende ging.

Wer allerdings erwartet hat, dass Sean Jones mit seinen Nachwuchsinstrumentalisten erst einmal daran arbeitet, den edel schimmernden Big-Band-Sound nachzuempfinden, erlebt eine Überraschung. Das Repertoire ist radikal heutig, zudem liegt der Fokus nicht auf der Gruppen-, sondern auf der Einzelleistung. Jeder bekommt hier die Chance zu ausgedehnten Soli, in denen die Teens dann natürlich ihren Idolen nacheifern. Das hat Power, ist ambitioniert, funky – und richtig laut. Aber genau dazu hatte Willi Steul die Musikerinnen und Musiker ja ermutigt, als er ihnen zur Begrüßung zurief: „Rock this old Konzerthaus!“

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