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Der deutsche Piratensender „Radio Nordsee“ sendete außerhalb der außerhalb der Drei-Meilen-Zone.

© Foto: Brenneisen

„Rockland“: Jeder ist ein Radiopirat

Die Neuköllner Oper feiert mit „Rockland“ die früheren Piratensender. Dabei steckt in jedem von uns ein Radiopirat.

Joachim Huber
Ein Kommentar von Joachim Huber

Stand:

Jetzt glotzt nicht so romantisch, wenn Ihr in der Neuköllner Oper „Radioland“ genießt. Wobei glotzen nicht der ganz passende Begriff ist, es geht ja ums Hören. Kann man romantisch hören? Egal, es geht bei „Radioland“ auf jeden Fall um Nostalgie, um eine Ära, als das Einschalten des Empfangsgeräts auch ein rebellischer, wenn nicht subversiver Akt werden konnte. 1960er Jahre, die öffentlich-rechtlichen Sender all over europe verschlafen den gesellschaftlichen Aufbruch, der auch mit Rock und Pop seinen musikalischen Ausdruck findet.

Piratensender

Wer mutig, jung und frech ist, fährt mit einem Kutter aufs Meer hinaus, wo alle Hoheitsgewässer enden, ankert, rüstet um, stellt eine starke Antenne aufs Deck und sendet mit aller Kraft Richtung Festland. Piratensender werden die Rock’n’Roller des Meeres genannt, Behörden, Eltern, Zensurbehörden, Art- und Altersverwandte schäumen. Diese Radios schmecken nach mehr. High sein, frei sei,…

Tempi passati, Radio ist ein klassisches Nebenbeimedium geworden, ein Alltagsbegleiter, schafft mehr oder weniger intensive Bindungen und Verbindungen. Was vor hundert Jahren, am 29. Oktober 1923 in der „Sendestelle Berlin Vox-Haus auf Welle 400“ mit der „Deutschen Stunde“ begann, war eine mediale Revolution, von vielen geliebt, von nicht wenigen wie den Nazi-Propagandisten missbraucht, aber fester Bestandteil von Haushalt, Auto, Smartphone.

Immer neue Medien sind über das Radio hinweggerollt, haben seine Bedeutung, seine Funktion, seine Wirkung verändert – nicht aber das Medium aus dem Medienensemble der Nutzerinnen und Nutzer verdrängt. Für ein wachsendes Publikum weicht das Lineare der Audiothek, Zuhören wird Nachhören, egal ob Wort oder Musik, Unterhaltung oder Information. Schon streiten die Kundigen, ob die Zukunft des Hörfunks im Podcast und nirgendwo anders liegen wird.

Radio hat Zukunft, ob linear oder nicht linear. Seine Mobilität passt zur mobil-modernen Welt, (lineares) Radio hat nach wie vor den Vorzug des Live- und Überraschungscharakters. Wer da und dort, zufällig oder zufällig einschaltet, der wird immer von etwas ursprünglich nicht Gesuchtem überrascht. In jedem von uns steckt ein Radio-Pirat. Deutschland ist Radioland.

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