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Rock'n'Roll-Pionier Little Richard ist tot: Steile Haare, spitze Schreie

In den Fifties wurde Little Richard zum Superstar und Bürgerschreck. "Awop Bop A Loo Bop Alop Bam Boom" lautete sein Schlachtruf. Jetzt ist er mit 87 gestorben.


Glücksversprechen lassen sich am besten dadaistisch zusammenfassen. Zum Beispiel so: „Awop Bop A Loo Bop Alop Bam Boom!“ Als der Sänger Richard Wayne Penniman, der sich selber Little Richard nannte, 1955 den Song „Tutti Frutti“ aufnahm, stieß er zum ersten Mal seinen legendären Schlachtruf aus. Es ging darum, die Erwachsenen zu erschrecken, in einem Kauderwelsch aus Vokalen, dessen Sinn sie nicht entschlüsseln konnten.

Leute, die Jazz hörten, kannten „Bop“ vielleicht als Bestandteil von „Bebop“, und lautmalerische Phrasen wie „Bam“ oder „Boom“, kamen auch in Comicstrips vor. Aber welcher Aufruhr mit dieser übermütig polternden Musik und den codierten Texten begann, zu der bald darauf Teenager in der ganzen Welt zu tanzen begannen, das erschloss sich den Älteren damals nicht wirklich. Der Name der Revolution lautete: Rock’n’Roll.

Der Song "Tutti Frutti" begründet eine Jugendbewegung

„Tutti Frutti“ gehört zusammen mit „Hound Dog“ von Elvis Presley und „Roll Over Beethoven“ von Chuck Berry zu den Gründungsmanifesten dieser Jugendbewegung. Little Richard sang, immer wieder spitze „Uuuh“-Schreie ausstoßend, von einem Mädchen, das Sue, und einem, das Daisy heißt.

Sue reimt sich auf „She knows just what to do“, Daisy auf „She almost drives me crazy“. Die eine weiß, was zu tun ist. Die andere macht ihn fast verrückt. Und womit? Mit den Waffen der Liebe. „She rocks to the east, she rocks to the west / But she’s the girl that I love best“, lautet die Kernstrophe.

„Tutti Frutti“ handelt ziemlich unverblümt von Sex. Rock’n’Roll war anrüchig. Und ein Riesengeschäft. Ein Hit bei den Weißen wurde „Tutti Frutti“ erst in der züchtigeren Version von Pat Boone. Platz 5 in der deutschen Hitparade.

Er stammte aus einer Baptistenfamilie

Richard Penniman stammte aus Georgia, er wurde 1932 als drittes von zwölf Kindern einer streng religiösen Baptistenfamilie geboren. Seinem Vater gehörte ein Nachtclub, die Mutter sang im Kirchenchor. In seiner Heimatstadt Macon habe damals ein „Apartheidsregime“ geherrscht, erzählte der Sänger in einem Interview. Schwarze und Weiße wurden streng voneinander getrennt, in der Musik fand Penniman seinen Weg aus der Armut.

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Mit Jubelschreien fiel er schon beim Singen in der Kirche auf, was ihm den Spitznamen „War Hawk“, Kriegsfalke, eintrug. Später lernte er Saxofon und, inspiriert von Ike Turner, Klavier, zog nach Atlanta und ging mit mit einem R&B-Orchester auf Tour. Seinen ersten Plattenvertrag bekam er 1951. Und dann folgte „Tutti Frutti“, der Geniestreich.

Little Richard (5. 12. 1932 – 9.5.2020) bei einem Konzert in Vancouver im Jahr 2006.
Little Richard (5. 12. 1932 – 9.5.2020) bei einem Konzert in Vancouver im Jahr 2006.

© imago images/UPI Photo

„Long Tall Sally“, „Ready Teddy“, „She’s Got It“ und Lucille hießen die Nachfolgehits, sie feierten den Hedonismus und klangen wild und frei. Um zu verstehen, welch eine Sensation Little Richard war, reicht es nicht, ihn zu hören. Man muss ihn auch sehen, etwa in der simpel gestrickten, charmanten Musikkomödie „Don’t Knock the Rock“ (1956), in der auch der schmalzlockige Bill Haley mit seinen Comets einen Auftritt hat.

Little Richard steht in einem weit geschnittenen Anzug, mit weißer Krawatte und Einstecktuch im Reverskragen hinter einem Flügel, wiegt sich in den Hüften, hämmert in die Tasten. Auf einem Hocker wird er auch später bei seinen Konzerten nur selten sitzen.

Seine fünfköpfige Band dirigiert er fingerschnipsend, vorne tanzt ein schwarzes Paar, hinten klatschen weiße Komparsen den Takt. Und dann fängt er an zu singen: „Awop Bop A Loo Bop Alop Bam Boom!“ „Wenn Elvis der King ist, dann bin ich die Queen des Rock’n’Roll“, sagte er. Sein Spiel mit Geschlechterrollen, die flamboyante Performance waren stilprägend. Eine steiler hochgesprayte Frisur besaß keiner. Prince war einer seiner Nachahmer. Am Samstag starb Richard Penniman. Er wurde 87 Jahre alt.

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