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Die Abifeier, eigentlich ein Anlass zur Freude.

© Jens Wolf / dpa / picture-alliance

Roman „Abifeier“: Zusammenkunft einer Post-Patchwork-Familie

Eric Nil erzählt von den Nöten eines verunsicherten Vaters, dessen zerstrittene Familie bei der Abifeier seiner Tochter zum ersten Mal aufeinandertrifft.

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„Freche Mädchen – freche Bücher“ ist eine Buchreihe, die Anfang der 2000er Jahre bei Teenagern populär war. Unter Titeln wie „Schule, Frust und große Liebe“ ging es um süße Jungs, mehr oder weniger nervige Eltern und die Verwirrungen des pubertären Daseins. Unter dem Pseudonym Eric Nil hat ein Schriftsteller nun ein Buch geschrieben, das den Auftakt zu einer ähnlichen Buchreihe bilden könnte. Der Titel „Abifeier“ verweist schon auf ein ähnliches Setting. Nur geht es um die emotionalen Herausforderungen, die man als geschiedener, neu verliebter Mann und Vater in einer Patchwork-Familie zu bestehen hat.

Wobei der namenlose Icherzähler eher in einer Post-Patchwork-Familie lebt, in der niemand mehr versucht, die Familienfetzen zusammenzuflicken. Weit weg von Ex-Frau und Sohn lebt er mit seiner Tochter in Hamburg, bis diese auszieht. Seine neue Freundin wohnt mit einem ihrer Söhne zusammen, der andere mit ihrem Ex-Mann. „Wir zwei“ (Vater und Tochter) und „die anderen“ (Freundin und Söhne) essen zwei Mal in der Woche gemeinsam zu Abend, fahren einmal im Jahr in Urlaub. Damit scheinen alle zufrieden zu sein, denn das Leben in dieser neuen, lockeren Verbindung gestaltet sich unproblematisch. Das ändert sich, als seine Tochter und ihr Sohn zeitgleich an derselben Schule Abitur machen und die Familien zur Abifeier einladen. Daraus entstehen potenzielle Minenfelder: das Aufeinandertreffen der Ex-Frau mit der neuen Liebe, die Begegnung mit deren (angeblich auch noch sehr attraktivem) Ex-Mann und das Wiedersehen mit dem eigenen Sohn, der seit Jahren nicht mehr mit einem spricht. Wer sitzt neben wem und überhaupt, sitzen alle an einem Tisch? Ist Blut dicker als Wasser? Und wie nennt man das eigentlich, was aus den Teilen einer zerbrochenen Familie entsteht?

Sprengstoff wird zu Brausepulver

Fragen, die Nil in einem unterhaltsamen „Familienfeiern und andere Katastrophen“-Sound verhandelt. Der Sprengstoff wird hier leider nur stets zum Brausepulver. Selbst als es bei einem Essen mit der Ex-Frau und den Kindern doch zum Streit kommt und der Icherzähler panisch mit dem Auto auf einen Lidl-Parkplatz bis nach Innsbruck flüchtet, löst sich die Dramatik gleich auf der nächsten Seite wieder auf. Da sitzt er nach zwei Tagen unkommentierter Abwesenheit mit seiner Freundin weintrinkend auf dem Balkon – die Ex-Frau samt Sohn wieder weit weg. Etwas Wehmut und Bedauern tauchen zwischen den Zeilen auf, wenn der Erzähler darüber nachdenkt, warum die große Verwandtschaft der afghanischen Klassenkameradin seiner Tochter zur Feier angereist ist, während er nicht einmal auf die Idee kam, seinen Bruder einzuladen.

Väter können sich in Eric Nils Gedankengängen sicher so gut wiederfinden wie Töchter einst in den „frechen Büchern“. Große Ängste und Wünsche werden ungemein persönlich beschrieben und zugleich mit ironischer Distanz betrachtet. Vielleicht wird „Abifeier“ also der ideale Auftakt zu einer erfolgreichen Buchreihe unter dem Titel „Verunsicherte Männer“.

Eric Nil: Abifeier. Roman. Galiani Verlag, Berlin 2018. 160 Seiten, 14,99 €.

Ina Hildebrandt

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