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Kultur: Rot-Rot in Berlin: Kulturmensch oder Verhinderer? Thomas Flierl steht jetzt im Kreuzfeuer

"Bewusst in die Härten reingehen", nennt Thomas Flierl seine Haltung in Konflikten. Das hat er in seiner Amtszeit als Baustadtrat in Mitte geübt, sehr zum Leidwesen von Investoren oder Sponsoren.

"Bewusst in die Härten reingehen", nennt Thomas Flierl seine Haltung in Konflikten. Das hat er in seiner Amtszeit als Baustadtrat in Mitte geübt, sehr zum Leidwesen von Investoren oder Sponsoren. So verbot er dem Hotel Adlon am Pariser Platz einen Baldachin vor der Tür mit der Begründung: "Das Vorhaben dient nicht der Allgemeinheit, da es einer privilegierten Schicht vorbehalten ist, das Hotel zu besuchen." Er untersagte der amerikanischen Künstlerin Sheryl Oring den größten Teil ihrer Installation zur Erinnerung an die Bücherverbrennung auf dem Bebelplatz und genehmigte nach Einsetzung einer "Kulturkommission" lediglich 21 von 160 geplanten Stahlkäfigen mit Schreibmaschinen. Er verwehrte den Denkmalschützern, die Generalsdenkmäler von Blücher, Yorck und Gneisenau aus dem Kronprinzessinengarten wieder an die Straße zu rücken. Und außerdem hat er sich als entschiedener Gegner des Wiederaufbaus des Stadtschlosses hervorgetan. Zum Thema Online Spezial: Rot-Rot in Berlin Umfrage: Flierl als Senator - Ist er der Aufgabe gewachsen?

Der Mann gilt als "Blockierer" (B.Z.), "Verhinderer" (SFB), "Aktionskünstler" (FAZ), "Mr. No" (Berliner Kurier). Flierl bestätigt das der "Süddeutschen Zeitung": "Wer mich als Verhinderer, Blockierer und Nein-Sager versteht, weil ich mich weigere, öffentlichen Stadtraum ausschließlich als Ort für kommerzielle Werbung oder Mega-Event-Plattform zu begreifen, der hat Recht." Flierl war gegen eine Schlittschuhbahn auf dem Gendarmenmarkt und gegen den Fesselballon am Leipziger Platz: Es dürfe dort keine "vergnügungsparkähnliche werbefinanzierte Anlage" entstehen. Auch der rosarote Panther der Telekom am Brandenburger Tor war nicht genehm: "Das Firmenlogo ist als Werbung zu sehen und überschreitet die Grenzen des Sponsorings." Die Marienkirche musste auf mehrere 100 000 Mark für die Renovierung verzichten, weil er eine Werbeplane mit dem Aufdruck einer Mineralwasserflasche untersagte. Flierl nennt das "öffentliche Prostitution ohne Lizenz" ("Süddeutsche Zeitung")und vertritt im Tagesspiegel die Haltung: "Wer gestalten will, muss auch Nein sagen können."

Unbequem war der 1957 in Berlin geborene Flierl schon immer: 1985 flog der als wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Philosophische Ästhetik Beschäftigte von der Humboldt-Universität, weil er sich kritisch zum Abriss der Gasometer an der Greifswalder Straße äußerte. Im selben Jahr promovierte er mit einer Arbeit zum Thema "Ästhetik der Aneignung. Studie zu weltanschaulich-methodologischen Grundproblemen der marxistisch-leninistischen Ästhetik." 1987 kam er als Abteilungsleiter im DDR-Kulturministerium unter, zählte zum "Reformflügel" der SED und war nach eigenen Angaben "aktiv" bei der Wende dabei: "Ich trage keine verklärte antikapitalistische Ost-Identität herum" ("Süddeutsche Zeitung"). Ein Jahr nach der Wende trat er aus der frischgegründeten PDS aus: "aus Ernüchterung über die verkrusteten Strukturen" ("Berliner Zeitung"). 1999 trat er wieder bei, um "aktiv die Reformkräfte der PDS zu stärken", wie er der "Welt am Sonntag" sagt: "Jeder, auch einer aus Zehlendorf, soll sehen, hier übt ein kulturinteressierter Mensch ohne Vorurteile ein verantwortungsvolles Amt aus."Sein Verhältnis zu seinem ehemaligen höherrangigen Amtskollegen und jetzigen Koalitionspartner Peter Strieder gilt als gespannt: "Die SPD hat es geschafft, mit dem Fraktionsvorsitzenden Klaus Wowereit eine neue Figur zu präsentieren - und das verbunden mit einer offenen Rücknahme des Parteichefs Strieder, der auf seine weiteren Ambitionen verzichtet hat und offensichtlich auch auf sein Talent, desintegrierend zu wirken", polemisierte er im "Freitag". Gleichzeitig betonte er gegenüber der "Welt am Sonntag": "Wer mir mit Toleranz begegnet, dem danke ich es durch Entgegenkommen." Flierl steht für eine stärkere Berücksichtigung Ost-Berlins: "Man kann die stärkste Partei aus dem Osten nicht mehr ausgrenzen" ("Neues Deutschland"). Gleichzeitig betont er: "Wir werden eine Politik aus gesamtstädtischer Perspektive machen." Für sich hatte er andere Pläne: "Ich wollte eigentlich Staatssekretär unter einem Kultursenator Gysi werden", zitiert ihn "Die Welt".

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