Kultur: Rückblick: Klassik: Draufgänger
Ein Gastspiel des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt/Oder in Berlin - das ist immer auch Werbung für eine als kulturlos verschriene Region. Dem offiziösen Charakter der Veranstaltung entsprachen die Reden der brandenburgischen Kulturministerin Johanna Wanka und des Geschäftsführers der "Märkischen Oderzeitung", einem Orchestersponsor.
Ein Gastspiel des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt/Oder in Berlin - das ist immer auch Werbung für eine als kulturlos verschriene Region. Dem offiziösen Charakter der Veranstaltung entsprachen die Reden der brandenburgischen Kulturministerin Johanna Wanka und des Geschäftsführers der "Märkischen Oderzeitung", einem Orchestersponsor. Während Politiker und Botschafter ihre Präsenz solchermaßen gewürdigt sahen, wartete das zahlende Publikum im gut besetzten Kammermusiksaal auf die Musik. Die Geduld wurde reichlich belohnt. Zunächst mit Bartóks spätem, überwiegend mild-diatonischen Divertimento für Streicher. Kontraste zwischen Registern, dynamischen Gegensätzen sowie zwischen Solo und Tutti verlangen durchweg nach Präzision und Brillanz. Die Frankfurter boten unter ihrem neuen Chefdirigenten Heribert Beissel noch zusätzlich einen warmen und vollen Klang. Zum Höhepunkt des Abends wurde dennoch der Auftritt des jungen südafrikanischen Geigers Daniel Hope. Nachdem er im ersten Satz von Mozarts 5. Violinkonzert noch ein wenig draufgängerisch vorangehastet war, brachte er das Adagio mit einem äußerst tragfähigen und obertonreichen Klang zur Blüte. Hier und auch im robusten Rondeau zahlte sich der Verzicht auf Dauervibrato aus: Den "alla turca"-Abschnitt des letzten Satzes durfte man selten so rau und wild wie hier hören. Ovationen für Hope! Mendelssohns Vierte Sinfonie, die "Italienische", hatte da eher die Aufgabe eines großformatigen Rausschmeißers. Beissel steuerte sein Orchester durchweg zügig und mit durchsichtigem, aber überraschend dunkel getönten Klang durch die südlichen Gefilde dieses Meisterwerks der Instrumentation. Neben den Streichern konnten hier vor allem die Holzbläser brillieren, allen voran die ausdrucksvollen und intonationssicheren Flöten. Angesichts dieses perfekt zubereiteten, leicht verdaulichen Menüs hätte es des Freibiers einer Frankfurter Brauerei in der Pause gar nicht bedurft.
Felix Losert