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Kultur: Scharouns Erbe

Zum Tod des Architekten Edgar Wisniewski

Der spätexpressionistische Traum einer „Stadtkrone“ nahm in Berlin erst in den sechziger Jahren am Kulturforum Gestalt an: Mit der Philharmonie hatte Hans Scharoun den baulichen Anker für seine zerklüfteten, goldschimmernden Bauten geschaffen, die als „Urstromtal“ konzipiert eine westberliner Antwort auf die zu Mauerzeiten in Ost-Berlin „gefangene“ Mitte geben sollten. Edgar Wisniewski, Scharouns engster Mitarbeiter und nach dessen Tod ein unbeirrbarer Streiter für dessen Visionen, ist am 25. April im Alter von 76 Jahren gestorben, wie seine Familie nun mitteilte.

Wisniewski hat Scharouns Erbe weitergeführt und nach dessen Tod 1972 den Bau der Staatsbibliothek fortgesetzt. Auch die eigenen Bauten wie das Musikinstrumentenmuseum (1984) und den Kammermusiksaal (1987) hat er in Scharouns Tradition konzipiert und sich bis zuletzt für den Bau des schon von seinem Lehrmeister geplanten Gästehauses eingesetzt. Erfolglos: Wisniewskis Lebenswerk blieb Flickwerk und gleicht heute eher einer Durchgangsstraße als einem urbanen Forum.

Erst die Bebauung des Potsdamer Platzes konnte die infrastrukturellen Mängel des Forums ausgleichen und zugleich deutlicher zu Tage treten lassen. Der Wiener Hans Hollein scheiterte an den städtebaulichen Grundübeln ebenso wie zuletzt Hans Stimmanns „Planwerk Innenstadt“. Trotz sichtbarer Schwächen der Idee von der automobilen „Stadtlandschaft“ lehnte Wisniewski jede Änderung an Scharouns Konzept ab. Auf die veränderte Umgebung reagierte er mit einem neuen Eingang für das Musikinstrumentenmuseum.

Als Wisniewski den Weiterbau der Staatsbibliothek übernahm, waren die entscheidenden Fehler allerdings schon gemacht. Scharoun hatte das Haus mitten auf der Potsdamer Straße platziert und zwang den Verkehr unweigerlich mitten durchs Kulturforum. Bis heute lästern Kritiker, Scharouns Gebäudegebirge und Mies van der Rohes kühle Neue Nationalgalerie, diese Meisterwerke der modernen Baukunst, stünden „so bezuglos nebeneinander wie Kühe auf der Weide“. Es bleibt Edgar Wisniewskis Verdienst, auf das Dilemma am Kulturforum zeitlebens hingewiesen zu haben.

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