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Kultur: Schloss Rheinsberg: Süßes Sehnen, Meer der Tränen

Des einen Leid ist der anderen Freud: Zur Eröffnung des elften Sommerfestivals im Schloss Rheinsberg schritten sieben junge Sänger durch ein musikalisches Meer der Tränen - und der Saal jubelte. Goethes "Werther" stand auf dem Programm, so wie der französische Komponist Jules Massenet ihn 1886 in Töne gesetzt hat, voll verzückter Naturbegeisterung und brennender Leidenschaft, ein drame lyrique im satten Streichersound, gewürzt mit dem Klang des damals gerade erst erfundenen Saxophons.

Des einen Leid ist der anderen Freud: Zur Eröffnung des elften Sommerfestivals im Schloss Rheinsberg schritten sieben junge Sänger durch ein musikalisches Meer der Tränen - und der Saal jubelte. Goethes "Werther" stand auf dem Programm, so wie der französische Komponist Jules Massenet ihn 1886 in Töne gesetzt hat, voll verzückter Naturbegeisterung und brennender Leidenschaft, ein drame lyrique im satten Streichersound, gewürzt mit dem Klang des damals gerade erst erfundenen Saxophons. Das publikumswirksame, viel zu selten gespielte Stück passt gut zum Credo der Kammeroper Schloss Rheinsberg. Das Entdecken und Wiederentdecken steht am einstigen Musenhof der preußischen Könige im Vordergrund: Zeitgenössisches vorzustellen und alte Musik aus den Archiven zu befreien, ist der eine Aspekt: So wird im PreußenJahr die 1999 uraufgeführte "Kronprinz Friedrich"-Oper des Festivalgründers Siegfried Matthus wieder aufgenommen und außerdem Carl Heinrich Grauns "Caesar und Cleopatra" gezeigt, jenes Werk, mit dem Friedrichs Hofoper Unter den Linden 1742 eröffnet wurde.

Hauptanliegen der Kammeroper aber ist es, für Nachwuchssolisten erste große Auftrittsmöglichkeiten zu schaffen. Und die drängen sich mittlerweile danach, vor der lieblichen Rheinsberger Naturkulisse ihre Stimmen zu erheben: 350 junge Sänger aus 39 Länder hatten sich diesmal beworben - sieben von ihnen machten jetzt Massenets "Werther" zu einem packenden Opernabend fürs innere Auge: das Stück wurde aus Kostengründen konzertant im Kostüm, also ohne Regie, gegeben. Von Werner Stiefel, dem Chefdirigenten der koproduzierenden Baden-Badener Philharmonie, bestens präpariert, kamen die Debütanten dabei dem Geist dieser durch und durch französischen Musik so nahe, wie man es auf deutschen Bühnen selten erleben kann. Allen voran: Hector Sandoval. Der mexikanische Tenor sieht nicht nur wie ein Verführer aus, er singt auch so. Seine sinnliche Stimme schmeichelt sich an den Melodielinien entlang, fein tupft er die Piani, lässt Schlüssel-Töne edel aufblühen und verglühen, kurz: er formt die Kantilenen genau so, wie Massenet sie erdachte - ganz nah am geschmeidigen Sprachfluss des Französischen. Nur wenn seine Spitzentöne etwas zu kraftvoll herausknallen, wird deutlich, dass diese aufreibende Partie für den 32-Jährigen eigentlich zu früh kommt. Um so neugieriger wird man, ihn möglichst bald als Gounods Roméo oder Massenets Des Grieux zu hören!

Bei diesem bejubelten Rheinsberger Saisonstart ist Hector Sandoval primus inter pares: Sehr eindringlich gestaltet Inés Moraleda ihre Charlotte - eine verletzliche junge Frau, die mit ihren Gefühlen nicht zurechtkommt. Die klare, ungekünstelte, in der Höhe metallisch aufblitzende Stimme der Spanierin passt bestens zu dieser Interpretation. Catherine Mullins ist mit delikater Koketterie ihre jüngere Schwester Sophie, Jun Hagiwaras fieser Ehemann Albert trumpft partiarchalisch auf mit voluminösem Bariton. Bei den Nebenrollen bleibt die feine, differenzierte Klanggestaltung des erst 24-jährigen Christoph Pohl (Johann) im Ohr.

Nur das Wetter wollte sich wie so oft in diesem Juni mal wieder nicht à la française verhalten: Da blieb Sängern wie Publikum nur die Flucht aus dem barocken Freiluft-Heckentheater ins kleine Opernhäuschen der Schlossanlage - auch wenn es da ordentlich knallte, wenn der Paukist der Baden-Badener Philharmonie die Schlegel niedersausen ließ. Dass die eisigen Winde sich für die dritte Openair-Produktion der Saison - ein Wandelkonzert mit Orpheus-Vertonungen von Monteverdi bis Offenbach - legen, ist dagegen so gut wie sicher: Schließlich hat dieser Orpheus - der herrlichste aller Sänger! - einst selbst den Gott der Unterwelt besänftigt.

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