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Ausnahmetalent. Die junge Lili Boulanger.

© George G. Bain Collection

Französische Pionierin Lili Boulanger: Schmerzmusik

Sie hätte Musikgeschichte schreiben können. Lili Boulanger komponiert als junge Frau Werke von betörender Schönheit. Im Jahr 1918 stirbt sie. Mit nur 24 Jahren. Jetzt kommt ihre Musik nach Berlin.

Sie hätte die Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts prägen können – wenn Lili Boulanger nur ein wenig mehr Lebenszeit vergönnt gewesen wäre. Die Folgen einer Lungenentzündung, die sie als Mädchen hatte, quälen sie bis zu ihrem Tod mit nur 24 Jahren am 15. März 1918, ihr Studium absolvierte sie weitgehend per Korrespondenz mit den Lehrern, weil sie zu schwach war, ins Konservatorium zu kommen.

Im August 1893 in eine Pariser Musikerfamilie hineingeboren, lernt Lili früh Klavier, Geige, Harfe und Cello. Ihr außergewöhnliches Improvisationstalent mündet bald in erste Kompositionen, mit 19 Jahren gewinnt sie als erste Frau überhaupt den Prix de Rome, die höchste Auszeichnung der Pariser Musikhochschule. Die Kantate „Faust und Helena“, die sie dafür einreicht, zeugt von frühreifer handwerklicher Sicherheit und einem eminenten dramatischen Gespür: Detailreich ist der Orchestersatz gearbeitet, elegant entfalten sich die Melodien, mit einer betörenden Schönheit und atmosphärischen Dichte wie bei Massette oder Puccini.

Fast 50 Werke in sieben Jahren

Fast 50 Werke wird sie zwischen 1911 und 1918 komponieren, zarte Klavier-Miniaturen, Lieder, die ehrliche, unverstellte Gefühle zum Ausdruck bringen, Chorwerke, die ihrer tiefen Religiosität entspringen. Die Schmerzen, die Lili Boulangers tägliche Begleiter sind, setzt sie in düstere Klangfarben um, ihr Tongedicht „D’un soir triste“ (Ein trauriger Abend) wirkt wie das musikalische Pendant zu Edward Munchs Gemälde „Der Schrei“. Aber sie schreibt auch lichte, impressionistische Werke, bewegt sich im raffiniert instrumentierten, duftigen Orchesterstück „D’un matin de printemps“ (Ein Frühlingsmorgen) ästhetisch in der Nähe von Debussys „La mer“.

Der Dirigent Igor Markévitch, für den Lili Boulanger „die größte Komponistin der Musikgeschichte“ war, nahm als erster ihre Kompositionen auf, mittlerweile sind Einspielungen aller wichtigen Werke greifbar. Live im Konzert sind sie fast nie zu hören. Um so schöner, dass die Berliner Cappella drei Chorstücke der Komponistin für ihren Aufritt am 25. April im Konzerthaus ausgewählt hat. Der Name Boulanger ist heute vor allem mit Lilis älterer Schwester Nadia verknüpft, die sie um 61 Jahre überlebte und als Professorin mehrere Generationen von Kompositionsschülern prägte, darunter Maurice Ravel, Aaron Copland und Leonard Bernstein.

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