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Kultur: Schön ist es auf der Welt zu sein

Eine merkwürdige Leidenschaft geht um unter den Theaterautoren. Sie gilt denen, die sonst nicht zu Wort kommen: Pförtnern und Requisiteuren, Toilettenwärterinnen und Putzfrauen.

Eine merkwürdige Leidenschaft geht um unter den Theaterautoren. Sie gilt denen, die sonst nicht zu Wort kommen: Pförtnern und Requisiteuren, Toilettenwärterinnen und Putzfrauen. Existenzen, die unter trivialen Lebensumständen ihr Dasein fristen, und die in der Intimität des Bühnenmonologs das zeigen dürfen, was ihnen im Alltag niemand zubilligt - eine schöne Seele, ein unstillbares Verlangen, geliebt und geachtet zu werden. Auch Mechthild Maria Huschke ist eine dieser waidwunden Gestalten, deren schäbige Existenz sich im Studio des Berliner Renaissance-Theaters schon auf den ersten Blick mitteilt. Am orangefarbenen Single-Wohnschlafzimmer, das eher schlecht als recht die ersehnte Bürgerlichkeit proklamiert (Bühne: Thomas Gabriel). An der sexy underwear, mit der aus dem Mauerblümchen die "erotisch erfahrene Frau" werden soll. Doch alles, was Oliver Bukowski in seinem Ein-Personen-Stück "Nichts Schöneres" (noch bis zum 26. Mai) seiner Mechthild an Glück zubilligt, entlarvt sich als Illusion. Mechthilds Träume vom besseren Leben stoßen sich ebenso an der tragikomischen Realität wie sie selbst an Lampe und Ziertischchen ihres übervollen und zugleich leblosen Zimmers.

Was bleibt, ist die Geschichte eines vertanen Lebens, die dennoch mit erstaunlich viel Witz erzählt wird. Was zum einen daran liegt, dass diese Mechthild in ihrer sächselnden Unbeholfenheit die Misere mit naiv-proletarischer Drastik anspricht ("Fürs Nötigste, da kann ich mir ja auch auf die Waschmaschine setzen; Schleuderprogramm") zum anderen daran, dass Désirée Nick diesen Abend mit einer erstaunlichen Feinfühligkeit meistert. Von den Schlüpfrigkeiten ihrer Kabarettprogramme, die durch Titel wie "Hängetitten de luxe" Aufsehen erregten, hat die "Erfinderin des Damenwitzes" nur die Offenheit mitgenommen, ohne Scham über alle Intimitäten parlieren zu können. Was ihr in Bernd Mottls sehr präziser, klug zurückhaltender Regie gelingt, ist der Balanceakt einer Charakterdarstellerin. Mit dem Mut zur Hässlichkeit bietet sich Nick ungeschützt dar, redet wie selbstverständlich über die letzte Kontaktanzeige oder über eine Massenvergewaltigung und bleibt bei allem ein Mensch, über den man sich amüsieren kann und der in seiner persönlichen Lebenstragik dennoch nie zur Witzfigur wird. Für Optimismus, sagt Mechthild, ist das Beste ein schlechtes Gedächtnis. Oder ein guter Theaterabend. Es war übrigens die letzte Premiere im Renaissance-Studio. Es wird aufgegeben - Geldmangel!

Jörg Königsdorf

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