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Treffsicher. Gilda (gespielt von Exmodel Catrinel Marlon) schießt sich als Ganovenbraut notfalls ihren Weg frei.

© Alamode Film

Schwarze Komödie über rumänische Mafia: „La Gomera“ ist ein Kinohighlight aus Osteuropa

Gespickt mit Filmzitaten, von unglaublicher Spannung und klugem Witz: Corneliu Porumboiu gelingt mit „La Gomera“ eine witzige Hommage an den Film noir.

Für Gangster ist das Pfeifen eine gefährliche Angelegenheit. Wer seine Spießgesellen verpfeift, also bei der Polizei gegen sie aussagt, ist ein Verräter. Darauf steht die Todesstrafe. Andererseits hat das Pfeifen auch Vorteile. Es ist abhörsicher.

In Corneliu Porumboius schwarzer Krimikomödie „La Gomera“ entsteigt der Held Cristi gleich zu Beginn auf der gleichnamigen kanarischen Urlaubsinsel zum wütenden Beat von Iggy Pops Hit „The Passenger“ einer Fähre.

Allerdings ist er nicht gekommen, um sich an den Strand zu legen. Er will El Silbo lernen, die Pfeifsprache, mit der sich die Inselbewohner angeblich bereits seit den Guanchen – der Ureinwohner aus der Zeit vor der spanischen Kolonisierung – über Distanzen von mehreren Kilometern hinweg verständigen.

Es ist ein Code wie das Morsen, bei dem Silben in Pfiffe verwandelt werden. Und wenn Polizisten zuhören, denken sie, dass die Vögel singen.

Doch Cristi, den Vlad Ivanow als stoischen Lakoniker verkörpert, kriegt erst einmal keinen einzigen Ton heraus. „Du musst den Zeigefinger wie den Lauf eines Revolvers in den Mund stecken“, erklärt sein Lehrer. „Der Winkel muss so sein, als ob du die Kugel durch dein Ohr schießen willst.“

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Der Mann kennt sich mit Waffen aus. Er gehört zur rumänischen Mafia, der Cristi helfen soll, den Matratzenfabrikanten Zsolt (Sabin Tambrea) aus dem Gefängnis zu befreien.

Er hat eine 30-Millionen-Beute aus dem letzten Überfall versteckt. Zuhause in Bukarest arbeitet Cristi hauptberuflich als Kriminalbeamter. Nebenberuflich steht er in den Diensten der Mafia, deshalb muss er das Spiel mitspielen. Außerdem hat er sich in Gilda verliebt, Zsolts überaus attraktive Freundin (Catrinel Marlon).

Schon mit dem Namen seiner weiblichen Hauptfigur huldigt Porumboiu dem Film noir. Er verweist auf den gleichnamigen Thriller von Charles Vidor, der Rita Hayworth 1946 zum Star machte.

Wie Hayworth ist auch ihre Wiedergängerin eine fatale Frau: verführerisch, aber nicht zu durchschauen. Gut und Böse lassen sich in den Filmen der Schwarzen Serie nicht mehr voneinander unterscheiden, auch die Gesetzeshüter agieren wie Kriminelle.

Dieses Prinzip treibt Porumboiu, der zu den wichtigsten Protagonisten der Neuen Welle des rumänischen Kinos gehört, in „La Gomera“ auf die Spitze.

Der Film ist ein verschachteltes Puzzle

Schon in seinem Drama „Politist, Adjectiv“ war der Regisseur einem Polizisten durch seinen Alltag gefolgt, der in zerschlissenen Amtsgebäuden und vor trostlosen Plattenbauten spielte. Bereits damals hieß der Fahnder Cristi.

Zehn Jahre später sitzen die Beamten in frisch renovierten Büros. Aber die sind allesamt verwanzt. Denn nicht nur Cristi, sondern auch die Chefin, die ihm im Nacken sitzt, ist korrupt. Kokainbeutel in den Wohnungen von Verdächtigen zu platzieren, um sie zur Mitarbeit zu bewegen, zählt zu den üblichen Ermittlungsmethoden.

„La Gomera“ ist, den Genrekonventionen folgend, verschachtelt erzählt. Manchmal gibt es auch in den Rückblenden noch Rückblenden, jedem Protagonisten ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Porumboiu selbst spricht von einem „Puzzle“.

[Acud, Filmkunst 66; OmU: Hackesche Höfe, Krokodil, Wolf und Zukunft]

Hinreißend ist die Szene, in der Cristi und Gilda einander kennenlernen. Weil die internen Ermittler in seinem Apartment Kameras angebracht haben, gibt sie sich als Luxusprostituierte aus. Ob der leidenschaftliche Sex, den sie haben, echt oder gespielt ist, lässt sich nicht erkennen. Im Gegenschnitt wird das Gesicht des Überwachungsbeamten gezeigt, dem Hören und Sehen vergeht.

Witze schlagen in Gewalt um

Porumboiu liebt erkennbar das klassische Hollywoodkino und macht sich gleichzeitig darüber lustig. Mit Anspielungen auf Vorbilder wie „Psycho“ oder „The Searchers“ geizt er nicht.

Der Shoutout findet vor den leeren Fassaden einer verlassenen Kulissenstadt statt, in der früher Western gedreht wurden. Die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit verschwimmen genauso wie die zwischen Moral und Skrupellosigkeit.

Die Verbrecher und ihre Verfolger treffen sich konspirativ in einem Motel am Stadtrand, eine Standardlocation jeden Film noirs. Unentwegt laufen dort lautstarke Arien.

„Vergraulen Sie nicht damit die Gäste?“, fragt Cristi. Der Portier antwortet: „Im Gegenteil, wir wollen sie erziehen.“

Es ist dieser Witz, der jederzeit in Gewalt umschlagen kann, der „La Gomera“ aus dem Gros der Genrefilme herausragen lässt. Wenn der Portier sich als eiskalter Killer erweist, dann nicht, weil er zur Mafia gehört, sondern weil sein Opfer ihn gebeten hatte, den Plattenspieler endlich auszuschalten.

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