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Kultur: Selig bei Lebzeiten

Er ist ein Außenseiter des Musikbetriebs geblieben, der russische Komponist Alexander Knaifel, obwohl auch er eine Musik schreibt, die, ähnlich wie die von Arvo Pärt oder Giya Kantscheli, eine Aura von derzeit gern gehörter östlicher Spiritualität in die Konzertsäle des Westens hinüber strahlen läßt.Im Gegensatz zu den beiden letztgenannten Komponisten erscheint Knaifels Musik aber spröder, ausgesparter, in sich auch eher widerspruchsvoll.

Er ist ein Außenseiter des Musikbetriebs geblieben, der russische Komponist Alexander Knaifel, obwohl auch er eine Musik schreibt, die, ähnlich wie die von Arvo Pärt oder Giya Kantscheli, eine Aura von derzeit gern gehörter östlicher Spiritualität in die Konzertsäle des Westens hinüber strahlen läßt.Im Gegensatz zu den beiden letztgenannten Komponisten erscheint Knaifels Musik aber spröder, ausgesparter, in sich auch eher widerspruchsvoll.Knaifel hatte sich auch während der Sowjetzeit in seinem Leningrader Umkreis stets einen erstaunlichen künstlerischen Freiraum erhalten können, in dem beispielsweise Experimente mit aleatorischer Musik ebenso möglich waren wie experimentelles Musiktheater.1933/94 lebte er auf Einladung des DAAD-Künstlerprogramms in Berlin, jetzt spielte das Deutsche Symphonie-Orchester unter der Leitung von Mstislaw Rostropowitsch die Uraufführung seiner "Seligpreisungen" - eine Komposition, die in der Vertonung der Bibeltexte Chor, Vokalsolisten und Streicher vereint mit dem Widmungsträger Rostropowitsch, der gleich dreifach in Erscheinung tritt: als Pianist, Dirigent und Cellist.

Knaifels Komposition, die sich mit ihren sparsam nebeneinander gesetzten Klängen durchgehend langsam im Bereich des unteren Piano bewegt, fordert dem Publikum in der Begegnung mit der eigenen Unruhe einiges ab: Das Knistern, Knacken, Klirren und Schaben im Schauspielhaus erzeugte zuweilen eine ähnliche Dichte wie das, was von der Bühne zu hören war, wo sich die Musiker und Sänger, im Kreis sitzend, ihrem stillen sakralen Exerzitium widmeten.Die Weihe, die Knaifel den einzelnen Tönen und zumeist einfach strukturierten Klängen verleiht, besitzt durchaus etwas bekenntnishaft Aufdringliches, sie erzeugt eine Strenge, der der Kitsch nicht fern liegt, obwohl man solche Musik, die den einzelnen Ton für kostbar erachtet und die Offenbarung in der Askese sucht, ja eigentlich lieben können wollte.Vielleicht nicht nur, aber sicher auch, weil das an sich nicht einfach zu hörende Stück gegen Ende mit seinen wärmenden Chorpassagen vollends in die Sphäre der orthodoxen Kirchenmusik hineinrutscht, erhielten Komponist und Mitwirkende (außer den Genannten noch der hervorragend einstudierte "Neue Chor Berlin" und die Vokalsolisten Tatjana Melentjewa und Arutjun Kotschinian) enormen Beifall, der von der im Publikum zahlreich vertretenen russischen Gemeinde richtig angeheizt wurde.

Wahre Ovationen erntete Rostropowitsch als Dirigent dann noch einmal nach einer Wiedergabe von Prokofjews fünfter Symphonie, die zwar klanglich reichlich undurchsichtig und in der Phrasierung der Bläser nicht gerade scharf geriet, als auffällige Qualität jedoch bei den Musikern des DSO einen Musizierspaß hören und mitfühlen ließ, der etwas Mitreißendes besaß.

MARTIN WILKENING

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