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Kultur: Sex, Lügen und Stereotypen

Wettbewerb (1): Steven Soderbergh schickt George Clooney auf den Planeten „Solaris“

An diesem Film ist alles Oberfläche. Perfekt designte Oberfläche. Der Set: schick – ob im Raumschiff Prometheus oder in irdischen Wohnungen. Die Personen: perfekt designte Hülle – auch in enthülltem Zustand, wozu das Drehbuch mannigfach Gelegenheit gibt. Die Geschichte: vom Rätsel der Vorlage nur eine Prise, der Rest ordentlich aufgeschäumt und glattgestrichen. Das Ende: eine klitzekleine moralische Puppenstube. Noch Fragen? Besser keine Fragen. Denn Fragen reiben sich grundsätzlich an Oberflächen.

Der vielbeschäftigte Regisseur Steven Soderbergh hatte offenbar Lust auf eine New Age-Scifi-Lovestory – was nicht weiter schlimm wäre, hätte der Eklektiker sich diesmal nicht ausgerechnet zwei ganz und gar nicht oberflächliche Klassiker gegriffen: Stanislaw Lems Roman „Solaris“ (1960) und die kongeniale Verfilmung von Andrej Tarkowski (1972). Lem hatte im Planeten Solaris, der den Astronauten auf der nahen Raumstation menschenähnliche Wiedergänger ihrer „im Gedächtnis zugemauerten Entzündungsherde“ zur Seite stellt, eine tiefenpsychologische Metapher für jedwede menschliche Entdeckerlust gefunden: Nichts geht ohne Rückgriff auf Erinnerung, auf Verdrängung, nichts geht ohne Selbsterforschungsqual. Und Tarkowski, der große Seelenbilderfinder, gab dieser Geschichte einen bestürzend verwahrlosten Raum und – mit Donatas Banionis und Natalja Bondartschuk in den Hauptrollen – ein zeitlos großartiges, verloren-verstörtes Gesicht.

Wo Tarkowski dem wenige Jahre zuvor gedrehten „2001 – Odyssee im Weltraum“ etwas Gleichwertiges entgegensetzen wollte, hatte Soderbergh eine Mischung aus Kubricks Epos und „Der letzte Tango in Paris“ im Visier. Es mag in seinem Setting Bilder geben, die sehr fern an „2001“ erinnern, Bilder auch, die in ihrer erlesenen Fleischlichkeit aufregen wollen wie Bertoluccis erotisch-passionsgeschichtlicher Filmklassiker: Nur, was ist da mischbar, ohne dass das eine das andere denunziert? Und überhaupt: Kann man zwei Großwerke des Kinos mit einer Klappe schlagen? Das US-Publikum jedenfalls hat Soderberghs Hybris bitter durchkreuzt: Binnen sechs Wochen schmolz die Zahl der eingesetzten Kopien von 2400 auf 24, ein Flop im freien Fall; die Produktionskosten wurden zu kaum einem Drittel eingespielt.

Und das alles trotz George Clooney. Oder wegen George Clooney? Das Hollywood-Darling muss – als Psychologe Chris Kelvin – einen Grübler spielen; darf man vorsichtig behaupten, dass die Neigung zum Grübeln sich bislang nicht gerade in Clooneys Gesicht eingeschrieben hat? Er muss, alarmiert durch eine Videoaufzeichnung des Wissenschaftlers Gibarian (Ulrich Tukur), auf der Raumstation nach dem Rechten sehen, wo die Gibarian-Kollegen Snow (Jeremy Davies) und Dr. Gordon (Viola Davis) offenbar schon ganz im Banne seltsamer „Besucher“ stehen. Als er ankommt, ist Gibarian tot: Selbstmord. Blutspuren führen den Neuankömmling in die Kältekammer. Und bald bekommt auch Kelvin Besuch: Seine Frau Rheya (Natascha McElhone) liegt plötzlich im Doppelbett des schicken Space-Apartments – doch hatte sie sich nicht vor Jahren nach einem ehelichen Zerwürfnis das Leben genommen?

„Verwandle ein wissenschaftliches Problem nicht in eine Bettgeschichte“ – so sarkastisch hatte der Snow-Vorgänger Snaut in Tarkowskis „Solaris“ noch den durch die Wiederbegegnung tief aufgewühlten Kelvin gewarnt. Soderbergh nun tut genau dies und dickt den Film zudem mit mäßig bedeutsamen Rückblenden an. Gelegenheit immerhin, seine aus „Out of Sight“ und „Traffic“ bekannte Farbdramaturgie zu kopieren: eisblau für die kalten Weltraumwelten, rotbraungelbwarme Töne für die Vorkommnisse auf der Erde. Das Ergebnis, eine sehr amerikanische Antwort auf das alte Osteuropa, hieße besser „Solaris light“: gedankenkalorienarm und insofern bekömmlich.

Heute 16.30 Uhr (Cinemaxx 7) und 22.30 Uhr (Berlinale-Palast), morgen 9.30 und 23.30 Uhr (Royal ), 20 Uhr (International)

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