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Expedition in unbekannte Klangwelten. Der Komponist Beat Furrer.

©  dpa/Manu Theobald

Klassik: Siemens Musikpreis für Komponist Beat Furrer

Als Forschender, als Suchender und Komponist schafft Beat Furrer unerhörte, offene Formen. Dafür ist er mit dem Siemens hochdotierten Musikpreis ausgezeichnet worden.

Sein achtes Musiktheaterstück hat Beat Furrer fast fertig. „Violetter Schnee“, inspiriert von einem Text des russischen Schriftstellers Vladimir Sorokin, soll im Januar 2019 an der Berliner Lindenoper ihre Uraufführung erleben: Nach einer globalen Katastrophe geht die Sonne nicht mehr auf, stattdessen rieselt unablässig farbiger Fallout hernieder. Die Menschen haben zudem die Fähigkeit verloren, miteinander zu kommunizieren.

An unwirtliche Orte und in extreme Situationen entführt der 1954 in schweizerischen Schaffhausen geborene Komponist seine Zuhörer immer wieder. Da wird das „Wüstenbuch“ zur Expedition in unbekannte Klangwelten, da beschwört Furrer die mythologische Figur der Fama, die im Erdinnern sitzt, da geht es um Blinde, die nach Orientierung suchen, oder um Narzissus, dem aus lauter Selbstliebe die Worte fehlen. Bei Platon und Hölderlin, bei Ingeborg Bachmann, Rimbaud, Ovid Maeterlinck und Marguerite Duras findet der Komponist die Texte für seine Bühnenwerke, die mit Stimmen arbeiten, mit menschlichen wie instrumentalen, die aber weit entfernt von dem sind, was man gemeinhin Oper nennt. Weil ihnen Geschichten fehlen, handelnde Menschen und Arien, in denen ein konkretes Gefühl gerinnen könnte.

Sein Orchester Klangforum Wien gehört zur Spitze der Avantgardemusik

Als Forschender, als Suchender schafft Beat Furrer unerhörte, offene Formen, stellt den Interpreten Versuchsanordnungen zur Verfügung. Deren sinnliche Kraft aus dem feinnervigen Umgang mit Klängen und Geräuschen resultiert. Diese sich selbst stetig herausfordernde, auf die Zukunfts- und Entwicklungsfähigkeit der Kunstmusik vertrauende Haltung Beat Furrers wird jetzt also durch den Ernst von Siemens Musikpreis gewürdigt.

Die mit 250 000 Euro dotierte Auszeichnung wird normalerweise im Wechsel an Komponisten respektive Interpreten vergeben. In der Person Beat Furrer treffen sich beide Aspekte der Kunstausübung, denn in seiner Wahlheimat Wien hat er nicht nur Komposition bei Roman Haubenstock-Ramati studiert, sondern auch das Dirigentenhandwerk bei Otmar Suitner gelernt. Was ihn in die glückliche Lage versetzte, 1985 ein eigenes Ensemble zu gründen, um ideale Aufführungsbedingungen für Neue Musik zu schaffen. Heute zählt das Klangforum Wien zu den Spitzenformationen der Avantgardemusik, und Beat Furrer ist ein gefragter Orchesterleiter, nicht nur für die eigenen Werke. Zudem ist er ein passionierter Lehrer, hat seit 1992 eine Professur an der Universität Graz inne.

Über den gesellschaftlichen Stellenwert der zeitgenössischen Musik macht sich Beat Furrer keine Illusionen. Die Emphase des Aufbruchs, wie sie sein Lehrer Haubenstock-Ramati nach dem Ende der Nazizeit erlebt hat, die beglückende Hoffnung auf einen Neuanfang, hat seine Generation nicht mehr erleben können, sagt der 63-Jährige. „Ich weiß, dass es für diese Musik immer irgendwo einen Platz geben wird, wenn auch einen kleinen; ungleich wichtiger finde ich aber andere Probleme, etwa die Zerstörung der Umwelt oder die Zunahme der Gewalt in unseren Gesellschaften. Da sollte man die Probleme, die die zeitgenössische Musik hat, nicht aufbauschen.

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