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Raul da Costa.

© Hanssen

Am Klavier durch die Krise: So hilft die Bechstein-Stiftung jungen Pianisten in der Pandemie

Die Krise trifft den Klaviernachwuchs besonders hart. Deshalb unterstützt die Bechstein-Stiftung junge Pianisten wie Raul da Costa. Ein Porträt.

Von Frederik Hanssen

Stand:

Ludwig van Beethovens Rondo von der „Wut über den verlorenen Groschen“ gehört zum Repertoire aller angehenden Pianist:innen. In der Pandemie haben jene, die das Klavierspiel als Beruf betreiben, finanziell weit mehr eingebüßt, nämlich ihr komplettes Einkommen.

Besonders hart traf es angehende Profis, die sich ihr Studium durch Auftritte und Wettbewerbsgewinne finanzieren. Der Schritt vom prekären Künstlerleben zur blanken wirtschaftlichen Not war für viele von ihnen nur ein kleiner.

Das sahen natürlich auch die Vorstandsmitglieder der Carl-Bechstein-Stiftung. Die 2012 gegründete gemeinnützige Organisation vergibt normalerweise pro Jahr zehn Stipendien an „herausragende junge Pianisten und Pianistinnen im klassischen Bereich“. Im Februar entschloss sich die Jury, die Zahl auf 18 zu erhöhen. Mehr als 90 Bewerbungen gingen ein, in Videos zeigten die Kandidat:innen ihr Können – und bei den allermeisten war die Qualität derart überzeugend, dass die Stiftung neu disponierte.

Gelder wurden umgeschichtet, sämtliche Mittel, die wegen des Lockdowns nicht für andere Projekte abgerufen worden waren, aktiviert. Am Ende kamen 352 000 Euro zusammen. Das reichte, um 18, mit jeweils 12 000 Euro dotierte Jahresstipendien auszuschütten und 68 Einzelhilfen in Höhe von jeweils 2000 Euro zu vergeben.

Raul da Costa gehört zu den Gewinnern eines Stipendiums. Bei einem Treffen im Bechstein-Showroom im Charlottenburger Stilwerk strahlt der Pianist mit den schwarzglänzenden Lackoberflächen der ausgestellten Klaviere um die Wette. Die monatlichen Zahlungen, die an keine Gegenleistung gekoppelt sind, helfen ihm, die kritische Phase zu überstehen, bis der Livekultur-Betrieb hoffentlich bald wieder in den gewohnten Bahnen läuft.

Oft haderte er mit der Einsamkeit

Einen Teil des Geldes will er sparen, für den eigenen Flügel, von dem er seit Langem schon träumt. Ein Klavier besitzt da Costa immerhin schon, da geht es ihm besser als so manchem Kommilitonen. Und er hat das Glück musikliebender Nachbarn, die sein Üben tolerieren. „Von einem wurden mir sogar Noten unter der Tür durchgeschoben“, erzählt er. Dennoch fiel es ihm in den Lockdown-Monaten nicht immer leicht, die tägliche Disziplin durchzuhalten.

Oft fühlte er sich innerlich leer, haderte mit der Einsamkeit an der Tastatur. „Doch ich weiß: Ich darf als Musiker nicht stehenbleiben“, sagt er. „Ich muss kontinuierlich an meinem Klang arbeiten, versuchen, musikalisch weiter in die Tiefe zu gehen."

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Raul de Costa stammt aus Portugal, er lebt aber schon seit 2010 in Deutschland. Um beim legendären Klavierprofessor Karl-Heinz Kämmerling studieren zu können, ging er, gerade volljährig geworden, nach Hannover. Im Anschluss an den Master zog es ihn dann nach Berlin, derzeit ist Kirill Gerstein sein Lehrer an der Eisler-Hochschule.

Ein erstes Post-Lockdown-Engagement hatte Raul da Costa schon. Der Auftritt in Bayreuth bestärkte ihn in der Überzeugung, dass er als Künstler in der Kulturnation Deutschland leben möchte. „Obwohl die Leute sich für das Konzert testen lassen mussten und vor Ort die Masken nicht abnehmen durften, kamen sie trotzdem. Das würde in Frankreich oder Portugal nicht so einfach funktionieren.“

So hart ihn die Coronakrise auch getroffen hat, einen guten Aspekt kann Raul da Costa der Pandemie doch abgewinnen: „Die Verbindungen innerhalb der Musikszene sind enger geworden, ebenso diejenigen zwischen Veranstaltern und Musikern.“ Als Zeichen der Solidarität nimmt er die Aktion der Bechstein-Stiftung mit der erhöhten Stipendienzahl und den Einmalhilfen für die Nachwuchsprofis wahr: „Man fühlt sich gehört als junger Künstler.“

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