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Reisebus aus Rumänien in Berlin: Unter der Schlagwörtern "Armutszuwanderung" und "Sozialtourismus" lief in den vergangenen Wochen und Monaten eine Debatte um Einwanderer aus Osteuropa.

© dpa

Deutsche Sprache: "Sozialtourismus" ist Unwort des Jahres

Sprachwissenschaftler haben "Sozialtourismus" zum Unwort des Jahres gekürt. Mit dem Schlagwort würde Stimmung gegen unerwünschte Zuwanderer gemacht, hieß es zur Begründung. In die engere Wahl kamen auch "Armutszuwanderung" und "Supergrundrecht".

Das „Unwort des Jahres 2013“ lautet „Sozialtourismus“. Das teilte die „Unwort“-Jury unter dem Vorsitz der Sprachwissenschaftlerin Nina Janich am Dienstag in Darmstadt mit. Mit dem Schlagwort „wurde von einigen Politikern und Medien gezielt Stimmung gegen unerwünschte Zuwanderer, insbesondere aus Osteuropa, gemacht“, begründete die Jury ihre Entscheidung.

"Das Grundwort 'Tourismus' suggeriert in Verdrehung der offenkundigen Tatsachen eine dem Vergnügen und der Erholung dienende Reisetätigkeit“, erklärten die Sprachforscher. Das Wort „Sozial“ reduziere die damit gemeinte Zuwanderung auf das Ziel, vom deutschen Sozialsystem zu profitieren. Dies diskriminiere Menschen, „die aus purer Not in Deutschland eine bessere Zukunft suchen, und verschleiert ihr prinzipielles Recht hierzu“.

Der Ausdruck reihe sich ein in ein Netz weiterer Unwörter, die diese Stimmung befördern wie etwa „Armutszuwanderung“. Mit dem Begriff „Armutszuwanderung“ bezeichnet die CSU gering qualifizierte Migranten, die nach Einschätzung der Partei in Deutschland vor allem Sozialleistungen in Anspruch nehmen wollen, aber kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben.

Wort des Jahres wurde "GroKo"

Zum „Unwort des Jahres 2012“ war „Opfer-Abo“ gewählt worden, 2011 „Döner-Morde“. Die „Unwort“-Aktion gibt es seit 1991. Neben der unabhängigen, sprachkritischen Jury mit ihrer Sprecherin in Darmstadt wählt davon getrennt die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) in Wiesbaden das „Wort des Jahres“. Für 2013 wurde im Dezember das Schlagwort „GroKo“ bekanntgegeben. Der Kurz-Begriff für die große Koalition in Berlin charakterisiere am besten das zu Ende gehende Wahljahr.

Den Blick auf inhumane Formulierungen richten

Das Unwort des Jahres wird seit 1991 von einer unabhängigen Jury aus Sprachwissenschaftlern ausgewählt. Die Aktion soll den Blick auf „sachlich unangemessene oder inhumane Formulierungen“ lenken. Der Jury gehörte in diesem Jahr auch der Schriftsteller Ingo Schulze an.

Schulze wählte die Bezeichnungen „Arbeitnehmer/Arbeitgeber“ zu seinem persönlichen Unwort des Jahres. Von der grundlegenden Bedeutung von Arbeit als Leistung ausgehend verkehre das Wortpaar in dramatischer Weise die tatsächlichen Verhältnisse, erklärte der Autor. „Wer die Arbeit leistet, gibt, verkauft, wird zum Arbeitnehmer degradiert - wer sie nimmt, bezahlt und von ihr profitiert, zum Arbeitgeber erhoben“, begründete Schulze seine Wahl. (AFP/dpa)

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