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SPIEL Sachen: Glückliche Tage in Moabit

Christine Wahl beobachtet eine Reanimation auf offener Bühne

Edith Clever wurde aufs Herzlichste begrüßt, als sie kürzlich zur Eröffnung des neuen Berliner Theaters Engelbrot in Moabit erschien. Schließlich war die Schaubühnen-Ikone – Protagonistin vieler Peter-Stein-Inszenierungen – quasi als einsame Vertreterin der Theaterprominenz unter den rund hundert Zuschauern erschienen, die sich im 450-Plätze-Saal des ehemaligen Hansa-Theaters (Alt-Moabit 48) verloren. Jedenfalls flötete der freundliche Kassierer Edith Clever schon von weitem ein ehrerbietiges „Guten Abend, Frau Stein“ entgegen.

So lange die Assoziationen noch funktionieren, möchte man da freudig ausrufen, muss man sich um die Berliner Theaterlandschaft keine Sorgen machen! Zumal es genau so lustig weiter ging: Auf dem Programm stand die „Galapremiere“ der „Rehearsal-Version“ von Peter Brooks Beckett-Inszenierung „Glückliche Tage“. Man muss sie sich als bühnenbild- und kulissenfreie Lesevariante der Basler Erfolgsinszenierung von 2003 vorstellen: Da beide Versionen bereits in vielen (auch deutschen) Städten zu sehen waren, konnte man getrost davon ausgehen, dass jeder Brook-Jünger seinen Kniefall bereits geleistet hatte und keine Publikumsstürme die Eröffnung stören würden: Eine originelle Art, ein neues Theater etablieren zu wollen – zumal es sich beim „Engelbrot“ um den dritten privaten Reanimationsversuch des 2002 als Subventionsbühne ausgemusterten Hansa-Theaters handelt.

Die beiden Vorgänger waren in Rekordzeit gescheitert: Vielleicht hatten die einfach nur zu wenig vor. Die „Engelbrot“-Leitung hingegen – HP Trauschke Ludo Vici, Friedrich Liechtenstein und Knut Hetzer – verortet sich wacker in der ersten Liga. „Wir fahren im Prinzip die gleiche Schiene wie das Deutsche Theater oder die Schaubühne, aber mit ohne Geld“, erläutert Trauschke, der den Repertoire-Betrieb ausschließlich aus Mäzen- und Sponsorengeldern finanzieren will. Tatsächlich sind Parallelen zum Berliner Ensemble auszumachen: Ähnlich wie dessen Intendant Claus Peymann, der Inszenierungen gern von Bochum über Wien mitschleppte, um sie schließlich in Berlin aus dem Rucksack zu zaubern, kramen Trauschke und Co. einen 15 Jahre alten Ionesco aus dem Gepäck: „Die Stühle“ (21./22.6., 19.30 Uhr), seinerzeit inszeniert an einem Münchner Privattheater. Immerhin ist eine aktuelle Berliner Neubesetzung zu vermelden: Alt-Playboy Rolf Eden wurde mit der Charakterrolle des taubstummen Redners bedacht. Was wohl Frau Stein dazu sagt?

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