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Kultur: Tanz der Moleküle

Nichts ist, was es scheint.Die Performance "Product of Circumstances" von Xavier Le Roy in der Reihe "Körperstimmen" im Podewil ist keine Vorstellung, eher schon ein Vortrag.

Nichts ist, was es scheint.Die Performance "Product of Circumstances" von Xavier Le Roy in der Reihe "Körperstimmen" im Podewil ist keine Vorstellung, eher schon ein Vortrag.Darin referiert der Molekularbiologe seine Arbeit in der Krebsforschung.Dias erläutern die Fortschritte in der Bestimmung der Onkogene.Doch so erfolgreich diese Forschungstätigkeit auch gewesen sein mag - sie bringt den Akteur in Widerspruch.Zu groß ist ihm der Erfolgsdruck, wirtschaftlich verwertbare Ergebnisse zu produzieren, zu begrenzt das Körperverständnis.

Le Roy versucht es mit dem Tanz.Seine Lernschritte demonstriert er in lakonischen, verwackelten Übungen.Von der Selbsterfahrung in der Bewegung erhofft er sich eine größere Ganzheit.Doch auch im Tanz will er so recht nicht heimisch werden.Auf Auditions wird er abgelehnt, weil er zu groß und zu dünn sei.Le Roy macht aus der Not eine Tugend und wird zum Bewegungsforscher mit analytischem Anspruch.Konstruktion und Dekonstruktion des Körpers sind die zeitgemäßen Leitvokabeln.Er beruft sich auf Yvonne Rainer, die bereits Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre die herkömmlichen choreographischen Regeln infrage stellte.Back to the roots lautet das Motto, mit dem Le Roy fortan gut im Trend liegt.

In seinen Ausführungen klingt Le Roy wie ein später Nachfahre der 68er-Generation.Sozialer, politischer und kultureller Anspruch sollen zusammengehen.Im Detail freilich vermag auch er den Gordischen Knoten nicht zu lösen.Seine Fragen sind so allgemein wie seit langem bekannt.Ein Zusammenhang zwischen naturwissenschaftlich sezierendem Blick und tänzerischem Denken erhellt sich nicht.Was er bei der Isolation einzelner Körperglieder findet, sind einzelne Momente.Die Frage nach der Komposition beantwortet er nicht.Wer Nahrung für Geist und Körper sucht, der schaue sich lieber eine Veranstaltung der Amerikanerin Susan Foster an.Sprechend, bewegend bezeugt sie die Fähigkeit zur physischen Intelligenz.Bei Le Roy bleibt am Ende eher die Frage, wen er denn bei diesem selbstverliebten Versuch, sich selbst zu erklären, wohl hochnimmt: sich selbst oder doch eher das Publikum.

Noch heute, 20 Uhr 30, im Podewil.6.und 7.4: "Self-Unfinished" von Xavier Le Roy, ebenfalls 20 Uhr 30 im Podewil

NORBERT SERVOS

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