Kultur: Täter verstehen
Gespräch mit Regisseur Stefan Ruzowitzky
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Was haben Sie gedacht, als Ihnen die Regie zu einem Film angeboten wurde, der in einem Konzentrationslager spielt?
Das Einzige, was ich nie machen wollte, ist ein Film im KZ. Das ist ein Bereich, der sich im Film nicht darstellen lässt. Doch die Fälscher-Werkstatt war privilegiert und nicht den Härten des KZ-Alltages ausgesetzt. Dadurch konnte ich indirekt vom Wesen eines KZs berichten.
Anhand von „Mein Führer“ wurde diskutiert, ob man Hitler als Mensch zeigen darf. Anhand Ihres Filmes könnte man diskutieren, ob man in einem Konzentrationslager einen Krimi inszenieren darf ...
Der springende Punkt ist für mich: Man muss das Naziregime politisch zeigen. Ich habe Probleme mit Filmen, die nur die menschliche oder psychologische Seite beleuchten. Es ist aber auch eine Generationsfrage. Vor 30 Jahren saßen die Nazis noch überall an den Schaltstellen der Macht. Damals war es richtig, die Täter mit Aussagen der Zeitzeugen zu konfrontieren, wie Claude Lanzmann es gemacht hat. Heute sind Opfer und Täter sehr alt oder schon tot. Da macht es wenig Sinn, der jüngeren Generation die Anklage ins Gesicht zu schmeißen.
In „Die Fälscher“ gibt es zwei zentrale Figuren: Sorowitsch, der aus kriminellem Milieu kommt, und Burger, ein Kommunist. Warum wurde Sorowitsch zur Hauptfigur?
Die Produktionsfirma hatte die Rechte für das Buch von Adolf Burger gekauft, aber ich fand die Figur eines Knastbruders im KZ interessanter. Die meisten Lager-Berichte stammen von bürgerlichen Intellektuellen: Primo Levi oder Bruno Bettelheim. Mich interessierte, wie jemand, der sich mit Gewalt, Betrügereien und Anpassungstalent durchgeschummelt hat, mit der Situation im KZ umgeht.
Worum ging es bei der Täter-Darstellung?
Es waren ja nicht nur Antisemiten und Monster, die Juden hingerichtet haben. Das Buch von Michaela Christ und Harald Welzer „Täter. Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder wurden“ hat mir die Augen geöffnet. Dort wird untersucht, wie Gruppendruck dazu führt, dass man glaubt, dass Juden weniger wert sind als andere. Auch heute funktioniert es noch so, dass Leute ihr Gewissen ausschalten, weil sie sich darauf berufen, dass andere das auch gemacht haben.
Interview: Martin Schwickert.
STEFAN RUZOWITZKY, geboren 1961 in Wien, wurde 1996 mit seinem Debüt „Tempo“ bekannt. Filme: „Die Siebtelbauern“ (1998),
„Anatomie“ (2000),
„Anatomie 2“ (2003).
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