Kultur: Tauschgeschäft
Ob auf den mittelalterlichen Glasfenstern von Frankfurt / Oder auch das Gleichnis vom Verlorenen Sohn zu sehen ist? Die "Bilderbibel", wie die aus 111 Bildfeldern bestehenden, 20 Meter hohen Scheiben aus dem 14.
Ob auf den mittelalterlichen Glasfenstern von Frankfurt / Oder auch das Gleichnis vom Verlorenen Sohn zu sehen ist? Die "Bilderbibel", wie die aus 111 Bildfeldern bestehenden, 20 Meter hohen Scheiben aus dem 14. Jahrhundert genannt werden, kehrt nach fast 60 Jahren russischen Exils in ihre Heimat zurück. Nach einer Ausstellung in der Petersburger Eremitage soll sie ab Sommer wieder in der Marienkirche zu sehen sein.
Die Rückgabe der Fenster, die die russische Duma am Freitagabend mit großer Mehrheit beschloss, ist zweifellos ein schöner Erfolg der langwierigen deutsch-russischen Verhandlungen um die so genannte "Beutekunst". Aber sie ist noch lange nicht der Durchbruch. Zu viele Sonderklauseln sprechen dagegen, den Vorgang als Grundsatzentscheidung zu werten. Dass es sich bei den Fenstern nicht um Staatsbesitz, sondern um das Eigentum einer kirchlichen Gemeinschaft handelt, erleichtert die Rückgabe. Dass Putin am Dienstag in Weimar mit Gerhard Schröder zusammentreffen will, macht die Entscheidung zum vorzeigbaren Gastgeschenk. Und dass die Rekonstruktion der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Mariä-Entschlafungskirche in Nowgorod mit deutschen Millionen finanziert wird, macht die Rückgabe zu einem Austauschgeschäft - auch wenn alle Seiten das Wort vermeiden.
Dennoch ist die Duma-Entscheidung ein Schritt in die richtige Richtung: Hin zu einer gemeinsamen Bewältigung der Kriegs- und Nachkriegsschäden. Bevor jedoch darüber diskutiert wird, ob ein Erlass des russischen Schuldenberges die dortige Bereitschaft zur schnellen Rückgabe erhöhen würde, ist zunächst einmal Aufklärung nötig: in Form einer umfassenden Offenlegung, welche der Millionen Kunstschätze, Bücher und Archivalien, die nach dem Krieg aus Deutschland verschleppt wurden, wo gelagert werden. Der Verlustkatalog, den die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten zur Zeit erstellt (siehe Bericht ), benötigt als Pendant dringend eine russische Bestandsaufnahme. Die Liste der Kunstwerke hingegen, die von der Wehrmacht aus Russland verschleppt wurden, ist längst veröffentlicht.