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Jing Boran in "The Shadow Play"

© Dream Factory / Berlinale

„The Shadow Play“ im Berlinale-Panorama: Chinas Zwangsmodernisierung als Krimi

Vor lauter Tempo kommt dieser Thriller gar nicht erst zur Besinnung: „The Shadow Play“ von dem chinesischen Regisseur Lou Ye.

Von Gregor Dotzauer

Schutt, Lärm und Erregung überall. Ein Bagger, der einen Kindergarten niederreißt. Aufständische Bewohner im Kampf mit dem Wachschutz. Und auf einmal ein Toter. Der zur Versöhnung der Parteien herbeigeeilte Chef der Baukommission ist von einem Dach gestürzt und dabei wohl nicht nur gestolpert. Die fulminanten ersten Minuten von Lou Yes „Shadow Play“ spiegeln das ganze Chaos von Chinas zwangsmodernisierten Städten. Mit Guangzhou, der 11-Millionen-Metropole im Süden, die in der staatlichen Hierarchie gleich neben Peking und Shanghai rangiert, hat er einen Schauplatz, dessen Dimensionen aus der Luft besehen Schwindel erzeugen und am Boden klaustrophobische Gefühle. Eine wacklige Handkamera hält alles aus nächster Nähe fest. In einem hektischen Übermaß an Gegenwart, das auch die Rückblenden bis zur Milleniumswende erfasst, springt einem das Geschehen ins Gesicht. Yang Jiadong, ein junger Polizist, soll den Todesfall aufklären. Doch er gerät in eine Sexfalle, wird suspendiert und ermittelt von da an auf eigene Faust. Unter Lebensgefahr begibt er sich auf ein Trümmerfeld aus Familiengeheimnissen, häuslicher Gewalt und Geschäftemacherei.

Lou Ye, 1965 in Shanghai geboren, hat es wie Wang Xiaoshuai oder Jia Zhang-ke, seine Kommilitonen von der Pekinger Filmakademie, nie darauf angelegt, mit den Behörden in Konflikt zu geraten. Aber wie sie ist er schnell an Grenzen gestoßen. „Suzhou River“, eine düstere Liebesfantasie, war nur der Auftakt zu einer Reihe von Konflikten, die ihm nach „Summer Palace“ (2006) sogar ein fünfjähriges Arbeitsverbot einbrachten. Dafür lief „Blind Massage“, 2014 mit einem Silbernen Bären prämiert, auch in der Volksrepublik mit Erfolg. Auf der Grenze von Genremechanik und Kunstwillen bleibt „The Shadow Play“ ein Whodunit ohne tiefere Figurenzeichnung – und sein Bild eines Raubtierkapitalismus chinesischer Prägung ohne Sinn für dessen Genese. Vor lauter Tempo kommt dieser Thriller gar nicht erst zur Besinnung. Immerhin darin stimmt er mit dem Land, von dem er erzählt, völlig überein.

13.2., 17 Uhr (Cubix 9), 15.2., 21 Uhr (CineStar 3); 17.2., 17 Uhr (Cubix 9)

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